Die Verschreibungen über extensiv hydrolysierte Formulanahrungen (eHF) und Aminosäuren-Formula (AAF) steigen seit Jahren in allen Ländern kontinuierlich an. Mit weitreichenden Folgen.

Da eine entsprechende Zunahme der allergischen Sensibilisierungsraten bei Babys gegen Kuhmilchprotein in Untersuchungen nicht festgestellt werden konnte, belegt eine Studie aus England nun, dass bei vielen Kindern diese Spezialnahrungen unnötig sind. Es besteht sogar die Gefahr von Langzeitfolgen aufgrund des hohen Zuckergehaltes.

Bei etwa einem Prozent alles Babys lässt sich durch Tests eine Kuhmilchallergie bestätigen. Diese Kinder brauchen, wenn sie nicht gestillt werden, einen Ersatz für normale Säuglingsmilch. Bei guter Verträglichkeit sollte eine extensiv hydrolysierte Säuglingsnahrung (eHF)] verwendet werden, die einer normalen Säuglingsmilch am ähnlichsten ist. Aminosäurenformulas (AAF) sollten Säuglinge bekommen, die eHF nicht vertragen, schwere anaphylaktische Reaktionen zeigen oder an schweren Enteropathien leiden.

Shriya Mehta vom Imperial College Healthcare in London wertete mit ihren Kolleginnen Daten aus England, Australien und Norwegen aus. Die analysierten Daten basierten auf erstattungspflichtigen Verschreibungen für die Spezialnahrungen, die sich in England und Australien zwischen 2007 und 2018 verdreifachten. Auch in Norwegen zeigten sich vergleichbare Trends: zwischen 2009 und 2020 verdoppelte sich die Anzahl der Verordnungen für Spezialnahrung, die für Säuglinge mit Kuhmilchallergie geeignet ist. 2020 lag der Anteil der Kinder, denen Spezialnahrung verordnet wurde, bei fast sieben Prozent.

Nach Ansicht das Forschungsteams um Shriya Mehta zeigen diese Zahlen, dass die Milchallergie bei Säuglingen bei weitem überdiagnostiziert wird. In England, Australien und Norwegen seien die Verordnungen und Erstattungen für Säuglingsspezialmilchen seit etwa 20 Jahren in bemerkenswertem Maß gestiegen. Für einen Anstieg bei den Milchallergien bei Säuglingen gäbe es aber keine Hinweise. Ein weiteres Problem wird im hohen Zuckergehalt dieser Spezialmilchen gesehen: In diesen Formulaprodukten ist die Laktose stark hydrolysiert oder zumindest teilweise durch andere Kohlenhydrate, z. B. Glukose oder Saccharose ersetzt. Insbesondere bei AAF sei der Zuckergehalt deutlich höher als bei herkömmlichem Milchpulver. Zahnschäden und Übergewicht könnten später mögliche Langzeitfolgen sein.


Quelle:
Trends in use of specialized formula for managing cow's milk allergy in young children Shriya Mehta, Hilary I. Allen, Dianne E. Campbell, Karoline Fagerli Arntsen, Melanie Rae Simpson, Robert J. Boyle

Clinical and Experimental Allergy Volume52, Issue7, 07/2022

Katharina Maidhof-Schmid | Raimund Schmid