Fast 2 % der Schüler zwischen 10 und 17 Jahren haben einer neuen Studie der DAK zufolge eine diagnostizierte Depression, weitere 2,5 % leiden an einer ausgewachsenen Angststörung. Mädchen sind danach deutlich häufiger betroffen als Jungen.

Für die Studie werteten Wissenschaftler der Universität Bielefeld Abrechnungsdaten der Kasse der Jahre 2016 und 2017 von rund 800.000 minderjährigen Versicherten aus. Dabei ist dies offenbar nur die Spitze des (diagnostizierten) Eisbergs, die Dunkelziffer ist wohl noch deutlich größer, bekräftigt auch der Präsident des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ), Dr. Thomas Fischbach: "Es gibt sehr viele Kinder, die unter Depressionen leiden und dann erst spät zu uns in die Praxen kommen. Erst wenn sie die Diagnose gestellt bekommen, tauchen sie in der Statistik auf." Der DAK-Report belegt zudem, dass chronische Krankheiten das Risiko für eine Depression erhöhen. "Bestimmte Schulkinder haben ein stark erhöhtes Risiko", meint DAK-Chef Storm. So tragen laut Studie Kinder mit chronischen körperlichen Erkrankungen ein bis zu 4,5-fach erhöhtes Depressionsrisiko. Für eine Angststörung ist das Risiko bis zu 3-fach erhöht. Auch das familiäre Umfeld kann ein Faktor sein. Kinder seelisch kranker Eltern sind erwartungsgemäß deutlich gefährdeter, selbst eine depressive Störung zu entwickeln.

Offenkundige Versorgungslücken bestehen insbesondere nach der Krankenhausentlassung, moniert Andreas Storm: "Diese müssen wir dringend schließen." Denn eine Rehospitalisierungsquote von 24 % komme deshalb zustande, weil nahezu jedes 4. psychisch kranke Kind innerhalb von 2 Jahren mehrfach stationär behandelt werden müsse. Dies sei alarmierend und auf Dauer nicht akzeptabel. Die Gesellschaft müsse daher offen über das "Tabuthema" Depression bei Kindern sprechen, forderte der DAK-Chef.

Kommentar:
Seit dem Tod von Fußball-Nationaltorwart Robert Enke, der sich wegen seiner Depressionen das Leben genommen hatte, ist das Thema öffentlich präsenter. Solange aber gerade auch für Kinder und junge Menschen mit Depressionen nicht genügend Behandlungskapazitäten vorhanden sind, nutzt das wenig. Es fehlt an multiprofessionellen und sektorenübergreifenden Behandlungsangeboten, an entsprechender Nachsorge nach Klinikaufenthalten und vor allem an ambulanten kooperativen Behandlungsangeboten. Wartezeiten von bis zu 6 Monaten für eine Behandlung sind selbst in offiziell mit Fachärzten überversorgten Regionen keine Seltenheit. Hier muss sich rasch was ändern, da gerade Schulkinder mit einer Depression 4,4 zusätzliche Arzttermine pro Jahr benötigen. Sonst droht die Gefahr, dass künftig immer mehr Kinder unbehandelt mit Depressionen leben müssen.


Autor
Raimund Schmid


Erschienen in: Kinderärztliche Praxis, 2020; 91 (1) Seite 9