Corona! Ist das nicht schon längst vorbei und alles wieder weitgehend im Normalzustand? Nein, sagt der Esslinger Kinder- und Jugendpsychiater Gunter Joas. Jetzt nach der Pandemie zeigten sich zunehmend die Folgen für viele Kinder und Jugendliche.

Auch wenn Schulschließungen und Kontaktbeschränkungen Vergangenheit sind, machen die Auswirkungen der Corona- Pandemie noch immer vielen jungen Menschen zu schaffen. Das sorgt für eine dramatische Lage in den Kinder- und Jugendpsychiatrien. Dort fehlte es schon vor der Pandemie an ausreichenden Therapieangeboten, jetzt hat sich die Lage noch einmal deutlich verschärft. Hinzu kommen schreckliche Bilder und Nachrichten vom Krieg in der Ukraine.

„Die Not der Kinder ist derzeit groß“, unterstreicht der Chefarzt in einem Gespräch mit der Deutschen Presse Agentur (dpa). „Ich bin schon sehr lange im Geschäft, aber ich habe noch nie so viele suizidale Kinder gesehen.“ Nach der Pandemie seien die psychischen Abwehrkräfte der Jüngeren aufgebraucht. „Diese Zeit war für Kinder und Jugendliche wie ausgestanzt“, sagte Joas. „Ganz so, als hätte es sie gar nicht gegeben. Keine Tanzkurse, kein Ausflug ins Schullandheim, kaum Begegnung.“

Der Ausnahmezustand der jungen Menschen, der häufig in Ängsten, Depressionen und Essstörungen mündet, werde oft nicht oder viel zu spät erkannt. Joas ist Mitglied der Taskforce „Psychische Situation von Kindern und Jugendlichen in Folge der Corona-Pandemie“ in Baden-Württemberg. Die Arbeitsgruppe, der Expertinnen und Experten aus der Kinder- und Jugendhilfe und dem Gesundheitswesen angehören, fordert zusätzliche Behandlungsplätze in der Kinder- und Jugendpsychiatrie.

Joas betont, dass es nicht darum gehe, kinder- und jugendpsychiatrische Bettenburgen zu bauen. Man müsse sich vielmehr um mehr Betreuungs- und Therapieangebote sowie um schnell wirkende Alternativen zum derzeitigen Angebot kümmern.



Autorin
Katharina Maidhof-Schmid

Erschienen in: Kinderärztliche Praxis, 2023; 94 (3) Seite 163