Dies und mehr geht aus Ergebnissen des aktuellen Versorgungsmonitors ambulante Kinder- und Jugendmedizin 2020 hervor.

Die Anzahl von bundesweit erbrachten J1-Untersuchungen bei Jugendlichen im Alter von 12 bis 14 Jahren ist im Trend zwischen den Jahren 2010 und 2017 gesunken. Bei den Hausärzten fällt der Rückgang allerdings deutlich stärker ins Gewicht als bei den Kinder- und Jugendärzten.

Dies geht aus den Ergebnissen des Versorgungsmonitors ambulante Kinder- und Jugendmedizin hervor, den das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung in Deutschland in Kooperation mit dem Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte im Jahr 2020 herausgegeben hat. Danach sind im Jahr 2010 von den niedergelassenen Kinder- und Jugendärzten insgesamt 237.000 J1-Untersuchungen vorgenommen worden. Bis zum Jahr 2012 ist dieser Wert sogar noch auf 254.000 Untersuchungen pro Jahr gestiegen, wogegen dann im Jahr 2014 mit 233.000 Untersuchungen erstmals weniger J1-Früherkennungen registriert wurden als noch im Jahr 2010. Dieser Trend hat sich nun bis zum Jahr 2017 verstetigt, wobei der Abfall der Werte vom Jahr 2015 (233.000 Untersuchungen) bis zum Jahr 2017 (218.000 Untersuchungen) überdurchschnittlich groß ist.

J1: Einbruch bei den Allgemeinärzten

Deutlicher ist allerdings ein Einbruch der J1-Untersuchungen bei den Fachärzten für Allgemeinmedizin, den praktischen Ärzten und den hausärztlich tätigen Internisten ausgefallen. Diese hatten zusammengenommen im Jahr 2010 immerhin noch 108.000 J1-Unterschungen durchgeführt und abgerechnet. Dieser Wert konnte bis zum Jahr 2012 mit 102.000 Untersuchungen noch einigermaßen stabil gehalten werden, fiel aber dann ab 2012 bis einschließlich 2016 um jeweils 10.000 J1-Unterschungen pro Jahr kontinuierlich und merklich ab. 2016 waren es noch rund 65.000 Untersuchungen, die die 3 Arztgruppen gemeinsam durchgeführt haben. Der neueste Wert für das Jahr 2017 liegt bei 59.000 J1-Untersuchungen. Damit halbierte sich nahezu die Anzahl der durchgeführten Untersuchungen zwischen dem Jahr 2010 und dem Jahr 2017.

Geringste J1-Rate mit 15 Jahren

Interessant sind darüber hinaus aber noch weitere Detailergebnisse aus dem Versorgungsmonitor. Sowohl die Hausärzte als auch auch die Kinder- und Jugendärzte führen die meisten J1-Unterschuchungen im Alter von 13 und 14 Jahren durch. Am wenigsten Untersuchungen finden im Alter von 15 Jahren statt. Dies mag bei den Kinder- und Jugendärzten nicht weiter erstaunlich sein, weil mit zunehmendem Alter immer weniger Adoleszente den Pädiater aufsuchen und damit mit zunehmendem Alter auch die Wahrscheinlichkeit zur Wahrnehmung einer J1-Untersuchung sinkt.

Bei den Allgemeinärzten hingegen ist die besonders niedrige Inanspruchnahme-Rate im Alter von 15 Jahren doch sehr überraschend. Da von den hausärztlichen Berufsverbänden immer wieder argumentiert wird, dass mit zunehmenden Alter immer mehr Adoleszenten einen Arztwechsel vom Pädiater hin zum Allgemeinarzt vornehmen, wäre eine deutlich höhere Inanspruchnahme der J1-Untersuchungen im Alter von 14 und insbesondere 15 Jahren bei den Hausärzten durchaus folgerichtig. Nach den Zahlen aus dem Versorgungsmonitor führten aber im Alter von 15 Jahren die Kinder- und Jugendärzte in den Jahren 2010 bis 2017 im Schnitt doppelt bis dreimal so viele J1-Untersuchungen durch wie die Allgemeinärzte, Hausärzte und hausärztlich tätigen Internisten zusammen. Dies belegt erneut, dass die Bindung zum Kinder- und Jugendarzt auch in diesem Alter häufig noch enger ist als zu den Ärzten aus der Erwachsenenmedizin.

Der weit überwiegende Anteil der U- und J-Untersuchungen (5,3 Millionen im Jahr 2017) ist von den hausärztlichen Kinder- und Jugendärzten durchgeführt worden. An zweiter Stelle folgen die Schwerpunkt-Kinder- und Jugendärzte und erst an dritter Stelle die Hausärzte. Insgesamt hat die Zahl aller Untersuchungen zwischen den Jahren 2010 und 2017 von 4,95 Millionen auf 5,3 Millionen zugenommen, was einem relativen Anstieg von 7 % entspricht. Dieser Anstieg ist aber rein auf die erbrachten Leistungen der hausärztlichen Kinder- und Jugendärzte zurückzuführen, da der Anteil an erbrachten Leistungen durch Schwerpunkt- Kinder- und Jugendärzte nahezu konstant ist und der Anteil der Hausärzte abnimmt.

Ärztehopping bei Adoleszenten

Ein weiteres interessantes Detailergebnis aus dem Versorgungsmonitor: Recht zeitstabil über den Zeitraum von 2010 bis 2017 waren 50 % der Kinder und Jugendlichen über 18 Jahre nur bei einem Arzt (pro Jahr), Kinder- und Jugendarzt oder Hausarzt, in Behandlung. 29 % waren bei 2 Ärzten (Kinder- und Jugendarzt und/oder Hausärzte) vorstellig und etwa 21 % sogar bei 3 oder mehr Ärzten. Diejenigen jungen Menschen, die älter als 18 Jahre waren und auch danach noch von Kinder- und Jugendärzten behandelt werden konnten, sind zumeist Adoleszente mit Entwicklungsstörungen oder chronischen Erkrankungen. An vorderster Stelle stehen die gerade auch in der Sozialpädiatrie und in den Sozialpädiatrischen Zentren häufig vorkommenden schwerwiegenderen Entwicklungsstörungen, danach folgen Verhaltens- und emotionale Störungen, danach die allergische Rhinopathie und dann die schweren angeborenen Herzfehler. Zwischen 6.000 und 7.000 Behandlungsfälle pro Jahr werden zudem auch beim Asthma bronchiale und der chronischen Bronchitis, bei den affektiven Störungen und bei Stoffwechselerkrankungen sowie dem atopischen Ekzem abgerechnet. Eine deutlich geringere Rolle mit Behandlungszahlen von unter 30 pro Jahr spielen u. a. die Anorexie und die Bulimie, die Leukämie, die spinale Muskelatrophie oder auch die Zwangsstörung.

Mehr über 18-Jährige beim Pädiater

Gemein ist aber bei fast allen Erkrankungen, dass bis auf wenige Ausnahmen (z. B. bei Neubildungen oder geistiger Behinderung) die Anzahl der erwachsenen Patienten, die im Alter von 18 Jahren oder älter noch von Kinder- und Jugendärzten behandelt werden, zwischen 2010 und 2017 zugenommen hat. So behandelten die Kinder- und Jugendärzte im Jahr 2017 z. B. fast dreimal so viele Patienten im Alter von über 18 Jahren mit tiefgehenden Entwicklungsstörungen (20.000) wie noch im Jahr 2010. Fast verdoppelt hat sich zudem die Anzahl der erwachsenen Patienten beim Kinder- und Jugendarzt mit Adipositas (von 1.900 im Jahr 2010 auf 3.575 im Jahr 2017) und von Anpassungsstörungen (von 1.693 im Jahr 2010 auf 3.115 im Jahr 2017). Dies belegt, dass sich viele junge Patienten mit chronischen Erkrankungen, Entwicklungsstörungen oder länger andauernden Vorerkrankungen, die 18 Jahre oder älter sind, in der Erwachsenenmedizin nicht gut aufgehoben fühlen.



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Raimund Schmid
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Erschienen in: Kinderärztliche Praxis, 2020; 91 (5) Seite 375-376