Weisen Jugendliche und junge Menschen mit ADHS gleich mehrere und dazu noch schwerwiegende ADHS-Symptome auf, steigen die Risiken hin zu einem höheren Tabakkonsum signifikant an.
Ganz generell greifen Menschen mit einer Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) häufiger zum Glimmstängel als andere Kohorten in ihrer Altersgruppe. Diese Korrelation ist aber nicht zwingend. Jetzt liegen neue Erkenntnisse vor, die den Zusammenhang zwischen ADHS im Kindes- und Jugendalter und späterem Nikotinkonsum – insbesondere hinsichtlich einer medikamentösen Therapie und der Schwere der Symptome – näher beleuchten.
Ein Forschungsteam von der University of Michigan wertete eine landesweit repräsentative Stichprobe US-amerikanischer Jugendlicher im Alter von 12 bis 17 Jahren (n = 13.572) sowie deren Eltern aus. Über einen recht langen Zeitraum von insgesamt neun Jahren (2013 – 2023) wurden der Tabakkonsum und mögliche ADHS-Symptome der Jugendlichen genauer unter die Lupe genommen. Dabei wurden Jugendliche mit ADHS-Diagnose und mit bis zu vier auftretenden Symptomen und medikamentöser Behandlung, Jugendliche mit ADHS-Diagnose ohne medikamentöse Behandlung sowie eine Kontrollgruppe ohne ADHS-Diagnose befragt. Beim Tabakgebrauch wurde der Konsum von E-Zigaretten, herkömmlichen Zigaretten sowie weiteren Tabakprodukten wie Zigarren, Zigarillos, Pfeifen, Shishas oder Kautabak berücksichtigt.
Die Ergebnisse müssen höchst differenziert aufgeschlüsselt werden: Zunächst stellte sich heraus, dass 14,1 % der Jugendlichen bzw. deren Eltern angaben, mit ADHS konfrontiert zu sein. Etwa sechs von zehn Betroffenen (58 %) erhielten eine medikamentöse Behandlung. 38,4 % gaben ein bis zwei Symptome an. Fast genauso viele (36,3 %) beobachteten sogar drei oder mehr Symptome. 25,3 % wiesen keine ADHS-Symptome auf.
Die erste klare Erkenntnis aus der Studie lautete: Jugendliche mit drei bis vier ADHS-Symptomen hatten das signifikant höchste Risiko für Tabakkonsum – unabhängig davon, ob eine medikamentöse Behandlung erfolgte. Im Vergleich zur Kontrollgruppe hatten diese Jugendlichen ein um 60 % höheres Risiko für E-Zigarettenkonsum und ein um 52 % erhöhtes Risiko für Zigarettenrauchen. Ein mit 72 % besonders hohes Risiko lag im Konsum mehrerer Tabakprodukte.
Zweites zentrales Ergebnis des Forscherteams: „Das Risiko für Zigaretten- bzw. Tabakkonsum steigt mit dem Schweregrad der ADHS-Symptome – Jugendliche ohne oder mit weniger schwerwiegenden Symptomen haben die geringste Wahrscheinlichkeit zu rauchen.“ Dieses Ergebnis wird so interpretiert: Jugendliche mit schwereren Symptomen sehen im Nikotin eine Art Selbstmedikation, da es ADHS-Symptome lindern und kognitive Fähigkeiten verbessern kann. Die Schlussfolgerung daraus war für die Wissenschaftler der Universität von Michigan insbesondere hinsichtlich der Fachgruppe der Pädiater eindeutig: "Ärztinnen und Ärzte sollten unaufmerksame, hyperaktive und impulsive Symptome genau beobachten und darauf hinwirken, sie so weit wie möglich zu reduzieren.“
Drittes wichtiges Resultat: Jugendliche mit asymptomatischer ADHS oder ohne bedeutende Symptome hatten – auch ganz unabhängig von einer medikamentösen Therapie – im Vergleich zur Kontrollgruppe kein erhöhtes Risiko für Nikotinkonsum.
Raimund Schmid