Immer mehr KInder werden zu früh geboren. Britische Wissenschaftler haben nun untersucht, inwieweit Pädagogen über die Folgen der Frühgeburtlichkeit auf die Entwicklung informiert sind. Außerdem interessierte die Forscher, ob sich die Pädagogen den Anforderungen gewachsen fühlen, die Frühgeborene in der schulischen Betreuung mit sich bringen.

Die steigende Zahl frühgeborener Kinder insgesamt, einerseits sehr unreife Frühgeborene (< 26 Schwangerschaftswochen), andererseits die steigende Rate „später“ Frühgeburten (34. – 36. Schwangerschaftswoche) führt dazu, dass der Anteil ehemaliger Frühgeborener unter den schulpflichtigen Kindern zunehmen wird.

Frühgeborene weisen häufige kognitive und soziale Defizite auf. Hieraus resultiert eine spezifische Betreuung. Eine britische Forschergruppe untersuchte, inwieweit britische Pädagogen über die Folgen der Frühgeburtlichkeit auf die Entwicklung der ihnen anvertrauten Kinder informiert sind. Eine weitere Fragestellung war, ob sie sich den Anforderungen, die Frühgeborene an die schulische Betreuung stellen, gewachsen fühlen. 585 Lehrer und 212 Psychologen beantworteten (Online-Umfrage) einen Fragenkatalog („Preterm Birth Knowledge“ (PB-KS)). Der Grad des Wissens zur Frühgeburtlichkeit wurde mit einer Skala von 0 bis 33 Punkten erfasst. Interessanterweise waren die in die Analyse eingeschlossenen Lehrkräfte überwiegend weiblich und hatten eine abgeschlossene pädagogische Ausbildung. Überwiegend wurden Kinder im Alter zwischen 3 und 18 Jahren betreut. Die Lehrer hatten signifikant niedrigere Kenntnisse als Psychologen (PB-KS-Score 14,7; SD 5,5; Range 0 – 27 vs. 17,1; SD 5,0, Range 1 – 28; p < 0,001). Besseres Wissen lag vor, wenn folgende Parameter erfüllt waren: „Weibliches Geschlecht“, „Tätigkeit in einer Schule mit sonderpädagogischer Förderung“, „mehr als 16-jährige Berufserfahrung“. Von großer Bedeutung sind die Ergebnisse der Untersuchung, weil herausgearbeitet werden konnte, dass Frühgeborene in Bereichen mit besonderem Förderungsbedarf (Mathematik, Aufmerksamkeit, soziale Beziehungen) von Lehrern betreut werden, die ein eher niedrigeres Wissen über die Folgen der Frühgeburtlichkeit boten. Konsens bestand (90 % der Befragten), dass ehemalige Frühgeborene adäquat zu fördern sind. Lediglich 38 % der Lehrkräfte fühlten sich dieser Aufgabe gewachsen. Nur 16 % wiesen diesbezüglich eine spezielle Schulung auf. Mehr als 80 % der Studienteilnehmer gaben an, Bedarf an zusätzlichen Informationen zu haben.

Kommentar:
Oftmals liegt ein langer Weg hinter Frühgeborenen und deren Familien, bis sie die Klinik verlassen. Während die Neonatologie in den vergangenen Jahren als „Wissenschaft“ erhebliche Kenntnisse über Frühgeborene gewonnen hat, fallen diese nachfolgend häufig in ein „Loch“: Schulen und Gemeinschaftseinrichtungen sind oftmals unzureichend auf die speziellen Förderungsbedürfnisse frühgeborener Kinder eingerichtet. Das Versorgungskonzept für Frühgeborene sollte von der Geburt bis in den Alltag, auch viele Jahre nach der Entlassung aus der Klinik, reichen.

Literatur
Johnson S et al. (2015) The long-term consequences of preterm birth: what do teachers know? Dev Med Child Neurol 57: 571 – 577


Autor
Univ.-Prof. Dr. med. Markus Knuf


Erschienen in: Kinderärztliche Praxis, 2017; 88 (2) Seite 82