Berichte über gewalttätige Konflikte im Gazastreifen mit Tötungen von Zivilisten kenne ich, solange ich zurückdenken kann. Durch den terroristischen Angriff auf israelische Zivilisten am 07.10.2023 ist dieser Konflikt weiter eskaliert; Israel führt seitdem einen Krieg im Gazastreifen. Also keine guten Aussichten für die Kinder und Jugendlichen an diesem Ort.

Die Chancen für die Babys, gesund und sicher aufzuwachsen, sind derzeit leider sehr gering. Es besteht eine akute Lebensgefahr, da Nahrung, Wasser und eine funktionierende medizinische Versorgung kaum verfügbar sind. Es wurden (Stand 07/2025) über 90 % der Krankenhäuser zerstört und mit ihnen medizinisches Personal getötet oder verletzt. Regional gibt es nun keine(!) oder eine nur sehr eingeschränkt funktionierende Notversorgung. Nach Angaben der UNICEF lag die Säuglingssterblichkeit in 2024 bei 18/1.000 Lebendgeburten (in Deutschland 3/1.000), dies müsste sich in 2025 noch weiter verschlechtert haben. Die meisten Babys sterben durch Unterversorgung aufgrund der katastrophalen Versorgungslage mit Mangelernährung bei den Müttern und der fehlenden Säuglingsnahrung oder aufgrund von Infektionen durch verunreinigtes Trinkwasser. Viele sterben, da Stromausfälle den Einsatz von Inkubatoren oder Beatmungsmaschinen gefährden und ein akuter Mangel an Medikamenten und Impfstoffen besteht.

Durch die schlechten Bedingungen der Ernährung, der Wasserzufuhr und der Hygiene gibt es eine drastische Zunahme von Infektionskrankheiten. Das Ärzteblatt berichtete bereits in 2024 über eine Häufung der Polio-Erkrankungen. Der Nasser Medical Complex in Khan Yunis und Ärzte-ohne-Grenzen melden in 2025 eine starke Zunahme von Meningokokkenfällen.

Laut Angabe des WFP leidet jedes zweite Kind unter 5 Jahren an einer Mangelernährung. Wegen der unübersichtlichen Lage ist die Spendenbereitschaft in Deutschland gering.

Neben diesen Gefährdungen hat die Situation auch psychologische und emotionale Auswirkungen. Es sind schwere traumatische Erlebnisse. Bilder von Schüttelneurose (Shellshock-Syndrom) – wie bei den Soldaten aus dem 1. Weltkrieg – konnten bei Kindern festgestellt werden. Schwere emotionale Störungen durch die Kriegserfahrungen und PTBS können die Folge sein. Die Kinder erleben auch ihre Eltern als verwundbare und kaum schutzbietende Erwachsene.

Was sind meine Sorgen? Die Kinder und Jugendliche wachsen in einem gesellschaftlichen Klima auf, in dem Israel und seinen Verbündeten Rache geschworen werden wird. Es ist zu befürchten, dass der Antisemitismus in Deutschland weiter ansteigt. Die Rückkehr der verbliebenen Geiseln ist gefährdet. Es wird schwierig, da einen Weg der Versöhnung einzuschlagen. Dies muss aber mit allen Mitteln versucht werden.

»Was bleibt für uns Pädiaterinnen und Pädiater in Deutschland zu tun? Appellieren, Kontakte nutzen und Hilfen einwerben.«

Was bleibt für uns Kinder- und Jugendärztinnen und -ärzte in Deutschland zu tun? Neben den notwendigen Appellen auf berufspolitischer Ebene kann bzw. muss und sollte jede und jeder sein Umfeld und seine Kontakte für eine schnelle Beendung dieses Krieges mit den verheerenden Auswirkungen auf die Kinder und Jugendlichen im Gazastreifen nutzen. Und zugleich sollten wir massive Hilfen für die Infrastruktur der Krankenhäuser und Gesundheitseinrichtungen einwerben. Die Ärztinnen und Ärzte vor Ort, woher sie auch international alle kommen, benötigen trotz aller Unsicherheiten umso mehr moralische und finanzielle Unterstützung – gerade von uns Pädiaterinnen und Pädiatern.

Dr. med. Markus Landzettel, Darmstadt


Autor:
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Dr. med. Markus Landzettel
Dr. med. Markus Landzettel ist seit 1998 in einer pädiatrischen Gemeinschaftspraxis in Darmstadt niedergelassen, ist Obmann des kinder- und jugendärztlichen Notdienstes und hat einen Lehrauftrag an der Pädagogischen Akademie in Darmstadt. Er hat 3 Kinder.


Erschienen in: Kinderärztliche Praxis, 2025; 96 (5) Seite 308