Jedes Jahr ziehen Kinder als Sternsinger von Haus zu Haus. 2016 war "Respekt" ein zentrales Thema der Hilfsaktion. Dr. Markus Landzettel zum Umgang mit Respekt im pädiatrischen Alltag.

Nun ist das Jahr 2016 bereits im vollen Gange. Die Sternsinger waren wie immer am Jahresanfang unterwegs und sangen Lieder, um den Segen in die Häuser zu bringen und Geldspenden für Bolivien einzusammeln. Doch was können wir von dieser Aktion für uns im pädiatrischen Alltag lernen?

Es sind Kinder und Jugendliche unterwegs, die ihre Freizeit in den Ferien zur Verfügung stellen, um sie für eine Hilfsaktion sinnvoll einzusetzen. Hierbei wird dies auch zur sinnvollen Aktion für die Kinder und Jugendlichen selbst. Wann können sie schon einmal so klar zeigen, dass sie etwas für andere tun? Wann erhalten sie schon mal eine Anerkennung und Würdigung für ihr Tun? Solche Möglichkeiten fehlen meist leider im Alltag oder werden häufig schlichtweg übersehen.

Eines der Lieder der Sternsinger handelt von der Gleichheit der Menschen vor dem Herrn mit "Ganz egal, woher du kommst und ganz egal, wohin du gehst". Der Begriff "Respekt" war somit das zentrale Thema bei der diesjährigen Sternsinger-Aktion. Das Thema ist gerade hinsichtlich der Terrorgefahren, der Flüchtlingsströme, der zunehmenden Ausländerfeindlichkeit und Zunahme von Verrohung und Respektlosigkeit in der Gesellschaft wichtig und gut gewählt.

Die Kinder und Jugendlichen erfahren in den Gruppenstunden, was Respekt ist. Sie lernen, was dies bedeutet und was dies mit Achtung des Anderen zu tun hat. Und sie bekommen ein Gespür dafür, was dies mit Integration und Inklusion zu tun hat – und dass Verunsicherung häufig zur Ausgrenzung führt. Oder sie bekommen letztendlich mit, wie man Vorurteilen vorbeugen oder entgegnen kann und dass Respekt mit einer Kultur der Achtsamkeit wächst.

Denn gerade das Fehlen von Respekt erleben die Kinder und Jugendliche weltweit schmerzlich durch gegen sie selbst gerichtete Gewalt, Misshandlung, Vernachlässigung und Missbrauch. Wünschenswert wäre ein Transfer dieser Arbeit in die schulischen Einrichtungen, um möglichst viele Kinder und Jugendliche dafür zu sensibilisieren.

Was bleibt für den Praxisalltag? Als Kinder- und Jugendärzte versorgen wir Patienten ganz unterschiedlicher sozialer und ethnischer Herkunft mit unterschiedlichen Weltanschauung, Religionen, Sprachkenntnissen, Sozialkompetenzen, Erkrankungen und Behinderungen. Ich hoffe, dass dies auch in angemessener Grundhaltung mit Respekt dem Patienten gegenüber geschieht. Das ist sicher nicht in jedem einzelnem Arzt-Patienten-Kontakt einfach. Ich bin überzeugt, dass dies so ist und bleiben wird. Viele ärztliche Kollegen zeigen noch zusätzliches Engagement in der Versorgung der Flüchtlinge, in karitativen Organisationen, in Fördervereinen oder in sonstigen der auf die Verbesserung des Zusammenlebens, der Umwelt oder des Friedens dienenden Strukturen. Es wäre wünschenswert, wenn neben dieser Arbeit im Verborgenen auch häufiger die Stimme erhoben würde, um das Engagement und die innere Einstellung kundzutun. Das könnte dazu beitragen, dass andere sich motivieren lassen, um sich ebenfalls stärker zu engagieren.

Dabei sollte man erst einmal vor der eigenen Haustür kehren. Zum Beispiel beim eigenen Praxispersonal. Respektbekundungen vor der alltäglichen Arbeit und entsprechender Dank darf durchaus offen und hörbar ausgesprochen werden.

Dr. Markus Landzettel, Darmstadt


Erschienen in: Kinderärztliche Praxis, 2016; 87 (2) Seite 78