Kinder und Jugendliche mit seltenen Erkrankungen haben viele Ansprechpartner und Anlaufstellen. Da entstehen große Reibungsverluste und man verliert schnell den Überblick. Mit Hilfe eines neuen Universitäts-übergreifenden Projektes soll die Transparenz nun aber spürbar verbessert werden.

Fünf Universitätskliniken mit Zentren für seltene Erkrankungen in Augsburg, Bochum, Datteln, Dresden und Würzburg wollen nun die Versorgungsqualität gerade von Kindern und Jugendlichen mit seltenen Erkrankungen spürbar und messbar steigern, teilt die federführende Universität Witten/Herdecke mit. Mit Hilfe des Projektes „B(e) NAMSE“ sollen die Versorgungsprozesse unter­einander etwa durch den Einsatz von Telemedizin enger verzahnt und junge Patientinnen und Patienten besser von ­Kinder- und Jugendärztinnen und -ärzten in die Erwachsenenmedizin überführt werden.

„Wir möchten all diese Prozesse besser zusammenbinden, die Expertinnen und Experten auch digital an einen Tisch holen und die weitere Behandlung gemeinsam mit den betroffenen Familien planen,“ erläutert Projektleiter Prof. Boris Zernikow, Chefarzt der Kinderpalliativmedizin und des Deutschen Kinderschmerz­zentrums, Vestische Kinder- und Jugendklinik Datteln – Universität Witten/Herdecke. Hierzu werden künftig in Fallkonferenzen Mediziner, Psychologen und Case Manager der beteiligten Universitäten weit enger als bislang zusammenarbeiten. Im Fokus soll dabei auch – über die rein medizinische Behandlung hinaus – die Schulung der Betroffenen und ihrer Familien zum besseren Umgang mit der Erkrankung stehen. Das Projekt wird – auch unter Kostengesichtspunkten – wissenschaftlich begleitet und über einen Zeitraum von dreieinhalb Jahren mit rund 8,8 Millionen Euro vom Innovationsausschuss beim Gemeinsamen Bundesausschuss gefördert.

Vier Millionen Menschen in Deutschland leiden an einer der rund 7.000 bekannten seltenen Erkrankung. Als „selten“ gilt eine Erkrankung dann, wenn nicht mehr als fünf von 10.000 Menschen von einer Erkrankung betroffen sind. Die meisten von ihnen betreffen bereits auch schon Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene.

Kommentar:
Was eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein müsste, wird jetzt mit einem millionenschweren Innovationsprojekt erprobt: eine engere Zusammenarbeit von Zentren für seltene Erkrankungen, von denen gerade Familien mit betroffenen Kindern profitieren sollten. Bleibt zu hoffen, dass solche zentrenübergreifende telemedizinischen Fallbesprechungen bald in allen Zentren für seltene Erkrankungen stattfinden. Angesichts von 7.000 seltenen Erkrankungen sind solche engen Kooperationen alternativlos. Eng einbezogen werden müssten auch die großen ­Patientenverbünde wie das Kindernetzwerk oder die ­Achse. Denn deren erlebte Kompetenz bei seltenen Erkrankungen ist auch für solch ein Forschungsprojekt von unschätzbarem Wert.


Autor
© Hartmut Kreutz
Raimund Schmid


Erschienen in: Kinderärztliche Praxis, 2024; 95 (2) Seite 84