Die DGSPJ hat einen neuen Vorstand gewählt. Ute Thyen, die neue Präsidentin, wird bis Ende 2019 im Amt sein. Prioritäre Arbeitsfelder der DGSPJ-Vorstandsperiode 2017 – 2019 werden u.a. sein: kulturelle und soziale Diversität, Primärprävention und Gesundheitsförderung, Entwicklungsförderung und Kinderschutz, Kinder psychisch kranker Eltern und Transition von Jugendlichen mit Behinderungen in die Erwachsenenmedizin.

Auf der Mitgliederversammlung 2016 in Hamburg ist der Vorstand der DGSPJ unter Führung der neuen Präsidentin Ute Thyen bis Ende 2019 neu gewählt worden. Mitte Januar positionierte sich der neue Vorstand bei einer Klausur der DGSPJ auch inhaltlich und steckte gemeinsam die Aufgabenfelder für die nächsten 3 Jahre ab, die im folgenden Text skizziert werden.

Für eine Wahlperiode von 3 Jahren wurden neben Ute Thyen als Präsidentin, Andreas Oberle als Vizepräsident, Christoph Kretzschmar als Schatzmeister und Volker Mall als Schriftführer neu gewählt. Die Beisitzer Ulrike Horacek und Knut Brockmann sind für eine weitere Amtsperiode bestätigt worden. Der neue Vorstand bedankt sich bei den Mitgliedern für das Vertrauen und sieht einer aktiven, vertrauensvollen und kommunikativen Zusammenarbeit mit allen Mitgliedern und den kooptierten Fachgesellschaften unter dem Dach der Deutschen Akademie für Kinder- und Jugendmedizin optimistisch entgegen.

Bilder von der Klausurtagung finden Sie hier.

In Würzburg hatte der scheidende Vorstand im Rahmen der Klausurtagung auf der Frankenwarte zunächst die Amtsgeschäfte an die neuen Verantwortlichen in der DGSPJ übergeben. Dabei wurde Christian Fricke, Helmut Hollmann, Heidrun Thaiss und Carsten Wurst für ihre Arbeit herzlich gedankt. Gewürdigt wurden dabei ganz besonders die Transparenz, das Vertrauen und die Bereitschaft, dem neuen Vorstand weiterhin durch aktive Mitarbeit in Gremien und Beratung zur Verfügung zu stehen. Die eindrucksvolle Bilanz der Vorstandsperiode 2013 – 2016 (Kipra 1/2017, S. 62 – 64) zeigt die vielfältigen und breiten gesundheitspolitischen Aufgaben und Erfolge der Fachgesellschaft. Der neue Vorstand wird sich all den dort genannten Themen und Aufgaben unverändert widmen und mit Engagement voranbringen.

Mit allen Teilnehmern der Klausurtagung ist daraufhin ein Workshop durchgeführt worden, um die prioritären Themenfelder und die Aktivitäten der neuen Amtsperiode vorzubereiten. Der neue Vorstand stellte sich dabei mit seinen programmatischen Schwerpunkten vor.

Im Fokus der Fachgesellschaft stehen die Bereiche Prävention und Gesundheitsförderung, Public Health, die sozialpädiatrische Versorgung von Kindern und Jugendlichen mit chronischen Gesundheitsstörungen und Behinderungen, deren Teilhabe gefährdet ist, sowie die Rehabilitation für Kinder und Jugendliche. Alle diese Felder weisen eine hohe Dynamik auf und stellen alle Beteiligten durch neues Wissen, gesellschaftliche und gesundheitspolitische Rahmenbedingungen und Gesetzgebung vor aktuelle Herausforderungen.

Kulturelle und soziale Diversität

In Deutschland leben etwa 15 Millionen Kinder und Jugendliche, sie machen (nur noch) 18 % der Bevölkerung aus. Die wachsende kulturelle und soziale Diversität ist eine Bereicherung, stellt das Gesundheitswesen jedoch vor große Herausforderungen und verlangt nach responsiven Versorgungssystemen, die für die Bedürfnisse der verschiedenen Gruppen flexible, veränderungsfähige und nachhaltige Lösungen anbieten können. Diversität entsteht insbesondere durch kulturelle Vielfalt in Deutschland und Migration. Zunehmende Kinderarmut, soziale Benachteiligung und Bildungsferne verhindern Chancengerechtigkeit und Teilhabe. Die Umsetzung der Rechte der Menschen mit Behinderungen und damit die inklusive Strategie unter gleichzeitiger Umsetzung der Kinderrechte führt zu einer Zerreißprobe der oft wenig vernetzten und wenig flexiblen Systeme, die für Gesundheit, Förderung und Bildung aller Kinder verantwortlich sind.

Der Vorstand der DGSPJ will sich aktiv in die Neuordnung der Gestaltung und Verwirklichung der inklusiven Gesellschaft einbringen, insbesondere im Zusammenhang mit dem Bundesteilhabegesetz. Die Sozialpädiatrie ist gekennzeichnet durch eine geübte Kommunikation, die die Inklusion aller Kinder zum Ziel hat. Sie dient all denen, die Unterstützung auf dem Weg zur Inklusion und Schutz vor Ausgrenzung brauchen. Sie hilft Familien, der Entwicklung von Störungen durch belastende Kontextfaktoren, Barrieren und Ausgrenzung vorzubeugen und entgegenzutreten. Der Vorstand setzt sich für eine Verbesserung der systematischen Vernetzung der flächendeckenden kinder- und jugendmedizinischen und allgemeinmedizinischen Versorgung in der Praxis und der sozialpädiatrischen ambulanten und stationären Versorgung ein, damit die Versorgungssysteme flexibel und angemessen auf die sich ändernden Bedarfe der Kinder und Jugendlichen und ihrer Familien reagieren können. Kinderrehabilitation stellt eine wichtige Versorgungsstruktur für Kinder mit Mehrfachbehinderungen dar. Der Vorstand wird die neuen gesetzlichen Veränderungen im SGB VI beobachten und den Beitrag zu einer bedarfsgerechten, sektorenübergreifenden Versorgung aktiv begleiten.

Primärprävention und Gesundheitsförderung

Gesundheitskompetenz als Teil der Lebenskompetenz ist Ergebnis und Voraussetzung für ein gelingendes Leben. Für die Integration von pädagogischen, gesundheitswissenschaftlichen und epidemiologischen Inhalten kann die DGSPJ auf den Stärken des öffentlichen Kinder- und Jugendgesundheitsdienstes aufbauen. Vernetzung in den Verbünden "Gesundes Aufwachsen", die Verankerung in den Kommunen mit einem breiten Zugang zu den anderen kommunalen Bereichen der Daseinsvorsorge, Bildung, Stadtentwicklung, die Neutralität und Akzeptanz in der Bevölkerung und Zugang zu allen gesellschaftlichen Gruppen ermöglicht den Zugang zu allen – insbesondere auch den vulnerablen – Gruppen von Kindern und ihren Eltern. Der Vorstand der DGSPJ möchte in der Gesundheitsförderung in allen Altersgruppen einen Schwerpunkt setzen und wird dies durch Öffentlichkeitsarbeit unterstützen.

Prioritäre Ziele in Bezug auf werdende Familien und sehr junge Kinder sind die frühe Unterstützung einer positiven Eltern-Kind-Interaktion und damit insbesondere die Förderung des Stillens als ein Instrument zur Beziehungs- und Entwicklungsförderung. Im Vorschul- und Schulalter sind die Gesundheitserziehung und -förderung in den Lebenswelten (Settings) Kindergarten und Schule prioritär. Und bei den Jugendlichen ist es die Stärkung der Kompetenzen im Hinblick auf zukünftige Elternschaft. Hinsichtlich des Präventionsgesetzes hat der Vorstand die Anfrage von Prof. Bergmann, die Kaiserin Auguste Victoria Gesellschaft (KAVG) in eine ständige Kommission Prävention zu überführen, sehr begrüßt und mit seinem ersten Vorstandsbeschluss diese Kommission gegründet. Somit haben die Mitglieder der KAVG in der DGSPJ eine neue Heimat gefunden und die Bemühungen rund um das Thema Prävention können nun noch effektiver und schlagkräftiger koordiniert und durchgeführt werden. Der neue DGSPJ-Vorstand freut sich über diese Verstärkung!

Entwicklungsförderung und Kinderschutz

Dem Schutz von Kindern und Jugendlichen vor Gewalt und Vernachlässigung und effektiven Kinderschutz wird ein hoher gesellschaftlicher Stellenwert eingeräumt. Dabei ist eine sorgfältige Abwägung erforderlich, welche Angebote an die Familie in Form von Unterstützung und Beratung bis hin zu Interventionen durch das Jugendamt nicht nur dem Schutz, sondern zugleich auch der Gesundheit, Förderung und Bildung des Kindes (und der Geschwister) dienen. Aufgrund der vielfältigen Güterabwägungen sollte nach Auffassung des Vorstandes immer eine umfassende, mehrdimensionale Entwicklungsdiagnostik erfolgen, die in Sozialpädiatrischen Zentren angeboten werden kann. Der Vorstand der DGSPJ wirkt unter dem Dach der DAKJ an der Umsetzung der Forderungen nach der Aufnahme von Kinderrechten im Grundgesetz, der Stärkung der Kinderkommission im Bundestag und der Einrichtung eines/einer Kinderbeauftragten mit. Weiterhin beteiligt sich der Vorstand an den Beratungen zum Bundeskinderschutzgesetz.

Kinder psychisch kranker Eltern

Als besonders vulnerable Gruppe nimmt die DGSPJ Kinder psychisch kranker Eltern wahr, die ein besonders hohes Risiko für Regulations-, Entwicklungs-, und Anpassungsstörungen haben. Hier wird der Vorstand integrierte, fachübergreifende Modellprojekte und Ansätze für eine gemeinsame Behandlung von psychisch kranken Eltern und ihren Kindern in Kooperation mit den Fachverbänden der Psychiatrie und der Kinder- und Jugendpsychiatrie weiter verfolgen und unterstützen.

Transition von Jugendlichen mit Behinderungen in die Erwachsenenmedizin

Mit der Aufnahme des § 119c in das SGB V (2015) ist es nun möglich geworden, Jugendliche mit geistiger und/oder komplexer Behinderung auch nach Erreichen des 18. Lebensjahres multiprofessionell und interdisziplinär in den neu zuzulassenden "Medizinischen Zentren für Erwachsene mit Behinderung" (MZEB) zu behandeln. Der Vorstand der DGSPJ unterstützt die Etablierung der MZEB insbesondere in der schwierigen Startphase und bietet dazu seine fachliche Unterstützung an.

Forschung in der Sozialpädiatrie

Wissen aus der Versorgungsforschung kann helfen, Unter-, Fehl- und Überversorgung zu reduzieren und ein passgerechtes, sektorenübergreifendes und flächendeckendes Gesundheitssystem für Kinder, Jugendliche und Familien zu entwickeln. Insbesondere die kluge Nutzung von Daten aus der Qualitätssicherung und der Strukturdaten in Kooperation mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern kann dazu beitragen. Der Vorstand der DGSPJ unterstützt Maßnahmen zur strukturellen und inhaltlichen Qualitätssicherung in SPZ wie auch deren Nutzung für eine konzeptuelle Weiterentwicklung der integrierten Versorgungsangebote. Der Vorstand wird auch die Möglichkeiten der alltagstauglichen Nutzung der International Classification – Children and Youth (ICF-CY) begleiten, um eine standardisierte und mehrdimensionale Dokumentation der Arbeit in Sozialpädiatrischen Zentren und der Rehabilitation voranzubringen.

Eine zukünftige stärkere Berücksichtigung von familienorientierten Forschungsansätzen wäre wünschenswert. Kinder und Jugendliche sind insbesondere bei der Bewältigung von Herausforderungen wie chronischer körperlicher oder seelischer Erkrankung oder Behinderung auf die Pflege und Förderung durch die sie betreuenden Erwachsenen angewiesen. Es besteht dringender Forschungsbedarf, welche Maßnahmen den Eltern, Großeltern, Pflegepersonen und den oft benachteiligten Geschwisterkindern am besten helfen, die Aufgaben zu bewältigen. Dies kann jedoch nur in breit angelegten Forschungsnetzwerken gelingen, die über die traditionellen Gesundheitswissenschaften hinausgehen und insbesondere Sozialwissenschaften, Pädagogik, Anthropologie, Ethnologie, Medienwissenschaften, Informationstechnologie, Städtebau und Kulturwissenschaften mit einbeziehen. Der Vorstand wird sich für eine Stärkung der (Versorgungs-) Forschungsmöglichkeiten in der Praxis der Sozialpädiatrie, den Hochschulen und Universitäten und eine Verankerung einer kindergerechten Forschungsförderpolitik einsetzen.

Aus-, Fort- und Weiterbildung

Die DGSPJ möchte natürlich auch das Interesse für die Arbeitsweise und die berufliche Tätigkeit in der Sozialpädiatrie wecken und stärken. Dabei richtet die Gesellschaft ihr Augenmerk als interdisziplinäre Fachgesellschaft auf Ärztinnen und Ärzte, aber auch nichtärztliche Kolleginnen und Kollegen aus dem therapeutischen Bereich, den Gesundheitswissenschaften, der Pädagogik, Psychologie und Gesundheits- und Kinderkrankenpflege. Die besonderen Kernkompetenzen bestehen in der Integration der lebensweltlichen Kontextfaktoren und der Entwicklung der Kinder und Jugendlichen und der Fähigkeit zu einem am Wohl des Kindes und der Familie orientierten kooperativen Handeln in Präventions- und Versorgungsangeboten.

Die Fachgesellschaft möchte zudem das Verständnis für die Sozialpädiatrie als Querschnittsfach stärken und möchte gerne vielfältige Angebote zur Aus-, Weiter-, und Fortbildung in Studium, beruflicher Ausbildung und berufsbegleitender Fortbildung zur Verfügung stellen. Der Vorstand möchte insbesondere Sozialpädiatrischen Zentren, dem Öffentlichen Kinder- und Jugendgesundheitsdienst und den Einrichtungen der Rehabilitation Unterstützung anbieten, eine wünschenswerte Öffnung für Weiterbildungsmöglichkeiten und -stellen zu realisieren. Die Einbeziehung dieser Ausbildungsorte und die Stärkung der Lehre durch Seminare, Praktika, Rotationen sowie spezifische Fortbildung im Sinne des Curriculum Sozialpädiatrie wird helfen, eine qualitativ hochwertige und bedarfsgerechte sozialpädiatrische Gesundheitsversorgung in der Kommune, in Praxen, anderen ambulanten Einrichtungen und Krankenhäusern zu ermöglichen. Derzeit werden in der Bundesärztekammer die Musterweiterbildung für die Facharztweiterbildung Kinder- und Jugendmedizin und ihre Schwerpunktweiterbildungen zur Abstimmung für den Ärztetag im Mai 2017 in Freiburg vorbereitet. Daran wirkt die DGSPJ mit. Um die Möglichkeiten zu einer vertiefenden Weiterbildung in der Sozialpädiatrie zu stärken, wird weiter darum gerungen, Ärztinnen und Ärzte in Zukunft den Erwerb einer Zusatzbezeichnung in der speziellen Sozialpädiatrie zu ermöglichen.

Der neue Vorstand freut sich auf einen lebendigen Austausch mit allen Mitgliedern der DGSPJ, ein lebendiges Miteinander, neue Ideen und konstruktive Kritik. Alle können etwas beitragen, kleine und große Aufgaben stehen für jede und jeden bereit.


Korrespondenzadresse
Geschäftsstelle der DGSPJ
Chausseestraße 128/129
10115 Berlin
Tel.: 0 30/4 00 05 88-6

Erschienen in: Kinderärztliche Praxis, 2017; 88 (2) Seite 126-130