In Teil 3 der Serie geht es um die Pyelonephritis, eine infektiöse Erkrankung des Nierenbeckens mit Beteiligung des Nierenparenchyms. Wichtig für das Finden des richtigen Therapieregimes ist neben der Abgrenzung zur Zystitis die Unterscheidung von unkomplizierten und komplizierten Harnwegsinfektionen. Wie geht man diagnostisch vor? Wann Antibiotika einsetzen und wann nicht?
Eine Pyelonephritis (PN) entsteht in fast allen Fällen als aszendierende Harnwegsinfektion und ist eine infektiöse Erkrankung des Nierenbeckens mit Beteiligung des Nierenparenchyms.
Wichtig für das Finden des richtigen Therapieregimes ist neben der Abgrenzung der Pyelonephritis zur Zystitis die Unterscheidung von unkomplizierten und komplizierten Harnwegsinfektionen. Dabei sind ein anatomisch normaler Harntrakt, eine normale Nierenfunktion und Immunkompetenz Voraussetzung für einen unkomplizierten Harnwegsinfekt (HWI), während jede Abweichung von diesen Merkmalen das Vorliegen eines komplizierten HWI bedeutet.
Einige klinische Untersuchungsmerkmale können ein guter Hinweis für das Vorliegen einer Pyelonephritis sein.
Anamnese und körperliche Untersuchung
Hinweise auf eine PN können sein: Fieber, gegebenenfalls Bauchschmerzen und suprapubischer Druckschmerz, Flankenklopfschmerz, Dysurie/Pollakisurie und Urininkontinenz. Insbesondere bei Säuglingen und Kleinkindern präsentiert sich die PN aber häufig nur mit Fieber. In Abgrenzung zur Zystitis sprechen Fieber, bei älteren Kindern Flankenschmerz und diffuse Bauchschmerzen sowie ggf. erhöhte Entzündungsparameter (insbesondere Procalcitonin) für das Vorliegen einer PN.
Erregerspektrum der Pyelonephritis
- 70 – 90 % uropathogene E. coli
- andere gram-negative uropathogene Enterobakterien (Klebsiellen, Proteus, Enterobacter u. a.)
- Enterokokken gelegentlich bei jungen Säuglingen
- nosokomiale bzw. komplizierte HWI werden häufiger durch Non-E. coli-Bakterien wie auch Pseudomonas aeruginosa ausgelöst
Das Wichtigste zur Therapie
Bei einer nachgewiesenen PN sollte immer eine Urinkultur angelegt und rasch eine kalkulierte antibiotische Therapie begonnen werden. Einige Studien zeigen, dass ein verzögerter Beginn einer Therapie das Risiko für die Entstehung pyelonephritischer Narben erhöhen kann.
Kann eine ambulante Therapie durchgeführt werden?
Ja, unkomplizierte PN bei Kindern jenseits eines Alters von drei Monaten können mit oralen Antibiotika behandelt werden, wenn die Gabe sichergestellt ist und die Kinder nicht erbrechen. Bei komplizierten PN, jungen Säuglingen und schwerer Allgemeinsymptomatik sollte stationär eine parenterale Therapie erfolgen.
Welche antibiotische Therapie sollte ambulant angewandt werden?
- Cefixim: 10 mg/kgKG/T (max. 400 mg/T) in 1 – 2 ED oder
- Cefpodoxim: 10 mg/kgKG/T (max. 400 mg/T) in 2 ED oder
- Amoxicillin + Clavulansäure: 50+12,5 mg/kgKG/T (max. 3,75 g) in 3 ED
- Die Therapiedauer sollte 7 (– 10) Tage betragen
Erläuterung zu den Therapieoptionen: ED = Einzeldosis, T = Tage, KG = Körpergewicht. Es besteht keine Haftungsübernahme für die korrekte Dosierung der empfohlenen Medikamentendosis, Änderungen aufgrund von neueren Empfehlungen, Arzneimitteldaten etc. sind möglich. Bitte überprüfen Sie regelmäßig, ob sich Änderungen ergeben haben.
Weiterführende Diagnostik
Insbesondere bei Säuglingen und Kleinkindern sollte in den ersten 24 Stunden nach Diagnosestellung des ersten fieberhaften Harnwegsinfekts zumindest orientierend eine Sonographie der Nieren und ableitenden Harnwege erfolgen.
Diese kann entweder in der kinderärztlichen Praxis, wenn möglich, ansonsten bei einem Kinderradiologen erfolgen. Ziel der frühen Diagnostik ist der Ausschluss einer höhergradigen Harntransportstörung, eines Konkrements oder einer Abszessbildung.
Therapiekontrolle
Nach 24 – 72 Stunden sollte eine Verlaufskontrolle erfolgen. Im Vordergrund stehen die Entfieberung und klinische Besserung der Symptome. Eine erneute Untersuchung des Urins sollte durchgeführt und ein Rückgang der Leukozyturie als Therapieerfolg gewertet werden.
Was tun bei Therapieversagen?
Therapieversagen besteht bei Fieberpersistenz nach zwei bis drei Tagen, bzw. weiterhin Leukozyturie. Bei guter Therapiecompliance kommt in diesem Fall ein multiresistenter Erreger in Frage: ESBL (Extended-Spectrum-Betalaktamasen)-Bildner→E.coli oder Klebsiella pneumoniae. Dann wird die Therapie entsprechend der Resistenztestung angepasst. Die ambulanten Möglichkeiten sind i. d. R. sehr begrenzt, sodass häufig eine stationäre Therapie mit Carbapenemen angezeigt ist. Die Übermittlung der mikrobiologischen Befunde und bisherigen Therapie an die Klinik ist aus ABS-Sicht essenziell.
Refluxprüfung?
Die Indikation zur Refluxprüfung wird kontrovers diskutiert. Sie sollte individuell gestellt werden, wenn
- ein höheres Risiko für Rezidive und weitere Nierennarben bzw. einen höhergradigen vesikoureteralen Reflux (VUR III° und IV°) besteht und
- eine therapeutische Konsequenz aus der Untersuchung erfolgen würde, d. h. eine HWI-Infektionsprophylaxe oder ein operatives Vorgehen in Frage kommen.
Die Kriterien dafür sind: junges Alter bei erster PN, häufige Rezidive, Z. n. Non-E. coli-Pyelonephritis, positive Familienanamnese für VUR, pathologischer Sonographiebefund.
Wenn sich eine Indikation zur Überprüfung des VUR ergibt, sollte dieser am besten direkt im Anschluss an die erfolgreiche Therapie der PN untersucht werden. Die Untersuchung erfolgt am häufigsten mittels radiologischer Miktionszystourethrographie.
Antibiotische HWI-Prophylaxe
Ziel der Prophylaxe ist die Verhinderung von rezidivierenden PN und von Nierenparenchymschäden. Da sie zur Resistenzbildung beiträgt, sollte die Indikation streng gestellt werden. Insbesondere bei einem gesichertem höhergradigen vesikoureteralen Reflux (VUR III° und IV°) bzw. höherem Risiko für Rezidive oder ausgeprägten obstruktiven Uropathien kommt sie in Frage.
Außerdem kann bei Kindern mit Blasenfunktionsstörungen oder Mädchen mit hohem Leidensdruck durch Dysurie bei rezidivierenden Zystitiden über eine Reinfektionsprophylaxe nachgedacht werden. Wichtig ist bei all diesen Indikationen, dass sie in regelmäßigen Abständen (z. B. alle drei Monate) auf Sinnhaftigkeit überprüft wird.
- Trimethoprim: 2 mg/kgKG/T (max. 100 mg/T) in 1 ED für max. 6 Monate (ab 7. Lebenswoche)
- Nitrofurantoin: 1 mg/kgKG/T (max. 50 mg/T) in 1 ED für max. 6 Monate (ab 4. Lebensmonat, Zulassung eingeschränkt, nur bei fehlender Alternative, allerdings gute Wirksamkeit, da nur sehr geringe Resistenzraten gegenüber E. coli, bei kleinen Kindern individuelle oder Saftzubereitung durch Apotheke notwendig)
- Cefaclor 10 mg/kgKG/T (max. 0,5 g/T) in 1 ED – bis 6. Lebenswoche wegen mangelnder Alternative
Wiebke Eley
Universitätsklinik für Kinder- und Jugendmedizin
Ev. Klinikum Bethel
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Erschienen in: Kinderärztliche Praxis, 2024; 95 (2) Seite 133-135