Durch eine chronische organische oder psychische Erkrankung kann die Bewältigung von Entwicklungsaufgaben in der Adoleszenz nachhaltig gestört sein. Das familiäre System ist durch die Erkrankung belastet und kann unter Umständen nicht die entsprechende Hilfestellung bieten. Jugendliche stehen vor besonderen Herausforderungen. Ein Ausweg daraus kann eine altersgerechte Rehabilitation sein.

Doch wie sehen die Herausforderungen für Jugendliche konkret aus, wenn sie ins Adoleszentenalter kommen? Diese Phase ist geprägt durch:

  • Ablösen vom Elternhaus
  • Akzeptieren der körperlichen Veränderung/Übernahme der Geschlechterrolle
  • Aufbau von Beziehungen zu Gleichaltrigen
  • Übernehmen sozialer und ethischer Verantwortung
  • Meistern der Schule bzw. der Berufsausbildung

Dies kann sich in verschiedenen Auffälligkeiten zeigen:

  • unregelmäßiger, ausbleibender Schulbesuch
  • fehlende Tagesstrukturierung, übermäßiger Medienkonsum
  • sozialer Rückzug, Interessenverlust
  • Ängste, Panikattacken, Selbstverletzung

Dadurch wird die Teilhabe am sozialen Leben erheblich eingeschränkt.

Zur Bewältigung dieser Entwicklungsaufgaben benötigen Jugendliche eine professionelle psychosoziale Betreuung. Hier kann eine Rehabilitation (stationär oder ambulant), eingebettet in ein therapeutisches Gesamtkonzept, Unterstützung geben.

Jugendliche ab dem vollendeten 12. Lebensjahr können ohne Begleitung in einer Rehabilitationseinrichtung für Kinder und Jugendliche aufgenommen werden. Hierbei schaffen das therapeutische Milieu und der wertschätzende Umgang gute Voraussetzungen für die Bewältigung der Gesundheitsproblematik. Negative Einflüsse durch das häusliche Umfeld und die Peergroup können vermieden werden. Selbstständigkeit und Eigenverantwortung sind gefragt. Die Gruppendynamik und der Austausch mit anderen Jugendlichen geben Halt und positive Verstärkung. Neue Verhaltensweisen können in einem geschützten Rahmen erprobt werden.

Diese Leistungen zur Teilhabe werden über die Deutsche Rentenversicherung (DRV) oder Krankenkasse (in Ausnahmefällen auch andere Leistungsträger) erbracht. Häufige Indikationen für eine entsprechende Rehabilitation sind:

  • psychische/psychosomatische Erkrankungen
  • Stoffwechselstörungen
  • Erkrankungen der Atemwege
  • Abhängigkeitserkrankungen
  • orthopädische/neurologische Erkrankungen

Beantragt werden die Leistungen zur Teilhabe über die entsprechenden Formulare der DRV und der Krankenkasse. Unterstützung bei der Auswahl einer geeigneten Einrichtung gibt es über die Homepage des Bündnisses Kinder- und Jugendreha e. V. (BKJR) oder über das Public Reporting der Deutschen Rentenversicherung.

Wichtig ist, die geeignete Klinik als Wunschklinik im Antrag des Versicherten zu nennen, da sonst die Vergabe über den jeweiligen Kostenträger erfolgt.

© Spessart-Klinik/Gandayo
Jugendliche werden bei einer Reha so weit wie möglich in die Verantwortung genommen. Hier bei der Zubereitung von Mahlzeiten mit frischen Zutaten.

Ziele der Rehabilitation sind:

  • Hilfe bei der Bewältigung von Entwicklungsaufgaben
  • Akzeptanz der chronischen Erkrankung
  • verbesserter Umgang mit der Erkrankung
  • Steigerung des Selbstwertgefühls und der Selbstwirksamkeit
  • Stärkung der sozialen Kompetenz
  • Verbesserung der Symptomatik

Eine entsprechende Diagnostik zur Erkrankung sollte vor der Rehabilitationsmaßnahme abgeschlossen sein. In der Rehabilitation liegt der Schwerpunkt auf der Therapie durch ein interdisziplinäres Team. In einem hochstrukturierten Setting werden die Jugendlichen 24 Stunden/ 7 Tage von qualifiziertem pädagogischem Personal begleitet. Vermittelt wird zudem ein wertschätzender Umgang untereinander. Therapeutische Leistungen erfolgen vorwiegend als Gruppentherapie. Vielfältige sportliche und kreative Angebote besitzen eine hohe Akzeptanz. Nonverbale Angebote wie Musiktherapie, Gestaltungstherapie, Ergotherapie und Theatertherapie ergänzen das multimodale Rehabilitationsprogramm.

Standardisierte Patientenschulungen erleichtern den Umgang mit einer chronischen Erkrankung. Im Rehabilitationsalltag ist auch der regelmäßige Schulbesuch leichter möglich. Unterrichtet werden die Hauptfächer in Kleingruppen. Alle Schulformen sind vertreten. Für die Motivation zum Lernen und einen erfolgreichen Schulabschluss bestehen in der Regel gute Voraussetzungen. In die Therapie wird – soweit möglich – das Familiensystem in die Rehabilitation eingebunden. Maßnahmen zur Nachsorge werden eruiert und bei entsprechender Passung eingeleitet.

Zusammenfassung

Eine Rehabilitation speziell für Jugendliche ohne Begleitpersonen ist angezeigt, wenn durch eine chronische Erkrankung die Teilhabe stark eingeschränkt ist und dadurch Entwicklungsaufgaben nicht erfolgreich bewältigt werden können.

Bündnis Kinder- und Jugendreha e. V. (BKJR): www.kinder-und-jugendreha-im-netz.de

Public Reporting der Deutschen Rentenversicherung: www.meine-rehabilitation.de


Autor:
Dr. med. Gerd Claußnitzer
Spessart-Klinik Bad Orb
Würzburger Straße 7 – 13, 63619 Bad Orb
Interessenkonflikt:
Der Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt in Zusammenhang mit diesem Beitrag besteht.


Erschienen in: Kinderärztliche Praxis, 2025; 96 (4) Seite 290-291