Obwohl eine pränatale Opioid-Exposition mit beeinträchtigtem Hirnwachstum assoziiert ist, sind bisherige Studien aufgrund kleiner Stichproben und fehlender Kontrollen limitiert. Daher sind die Auswirkungen einer Opioid-Exposition auf das sich entwickelnde Gehirn noch immer unzureichend erforscht.

Eine multizentrische US-amerikanische Arbeitsgruppe verfolgte das Ziel, einen Vergleich globaler, regionaler und gewebespezifischer Hirnvolumina bei Opioid-exponierten Neugeborenen mit nicht exponierten Kindern vorzunehmen.

In der OBOE-Studie (Outcomes of Babies with Opioid ­Exposure) wurden von August 2020 bis Dezember 2023 termingerecht geborene Neugeborene mit pränataler Opioid-Exposition und nicht exponierte Neugeborene (Kontrolle) an vier Standorten in den USA rekrutiert. Die Datenanalyse erfolgte von August 2020 bis Dezember 2024.

Primärer Endpunkt der Studie war die Ermittlung des Gehirnvolumens in beiden Gruppen, welches mittels drei­dimensionaler volumetrischer Magnetresonanz­tomographie (MRT) bei ­Opioid-exponierten und nicht exponierten Neugeborenen vor der achten Lebenswoche ermittelt wurde. T2-gewichtete MRT-Daten wurden mit 3T-Scannern erfasst und standortübergreifend harmonisiert. Die Gehirnvolumina wurden zwischen den Gruppen mittels Kovarianz-Analyse verglichen, wobei das postmenstruelle Alter bei der MRT-Untersuchung, Geschlecht, Geburtsgewicht, Rauchverhalten der Mutter und Bildung der Mutter berücksichtigt wurden.

Insgesamt wurden 173 Neugeborene mit pränataler Opioid-Exposition und 96 nicht exponierte Kontrollpersonen untersucht. Die MRT-Untersuchungen erfolgten im mittleren Gestations­alter (SD) von 42,84 (2,11) Wochen. 117 Neugeborene (43,5 %) ­waren weiblich.

Die Opioid-exponierte Gruppe wies ein signifikant geringeres Gesamthirnvolumen (387,51 vs. 407,06 cm³; Differenz 19,55; 95 %-KI 8,75 – 30,35) und kortikales Volumen (167,07 vs. 176,35 cm³; Differenz 9,28; 95 %-KI 3,86 – 14,70), verminderte graue Substanz, verminderte weiße Substanz, vermindertes zerebelläres Volumen, vermindertes Hirnstamm-Volumen und verminderte Amygdala-Volumina im Vergleich zu den Kontrollpersonen auf.

Methadon-exponierte Neugeborene wiesen im Vergleich zu den Kontrollpersonen ein signifikant geringeres Volumen der weißen Substanz auf, während Buprenorphin-exponierte Neugeborene ein signifikant geringeres Volumen der rechten Amygdala aufwiesen.

In der Kontrollgruppe zeigten sowohl Neugeborene, die nur Opioiden ausgesetzt waren, als auch solche, die Opioiden und anderen Substanzen ausgesetzt waren, signifikante Volumen­reduktionen der kortikalen und tiefen grauen Substanz, des Kleinhirns, des Hirnstamms, der rechten Amygdala und des gesamten Gehirns.

Neugeborene, die mehreren Substanzen ausgesetzt waren, wiesen im Vergleich zur Kontrollgruppe zusätzlich geringere Volumina der weißen Substanz und der linken Amygdala auf.

Die Autoren schließen aus ihren Daten, dass in einer großen Kohorte pränatal Opioid-exponierter Neugeborener im Vergleich zu nicht exponierten Kontrollpersonen signifikante Reduktionen des globalen und regionalen Gehirnvolumens zu beobachten waren. Diese Daten deuten auf eine Anfälligkeit des sich entwickelnden Gehirns gegenüber pränataler Opioid-Exposition hin, mit unterschiedlichen Auswirkungen, je nach Art und Anzahl der Substanzen.

Kommentar:
Eine wissenschaftlich präzise, kontrollierte Untersuchung weist nach, was zu vermuten war: Opioid-Exposition während der Schwangerschaft führt zu einer – festgemacht an den Hirnvolumina – gestörten Hirnentwicklung. Interessant wäre noch die Korrelation der „anatomischen“ Veränderungen mit funktionellen (psychomotorische Entwicklung, Kognition, zerebrale Krampfanfälle u. a.).

Literatur
Wu Y. et al. (2025) Antenatal Opioid Exposure and Global and Regional Brain Volumes in Newborns. JAMA Pediatr; doi:10.1001/jamapediatrics.2025.0277


Autor
Univ.-Prof. Dr. med. Markus Knuf


Erschienen in: Kinderärztliche Praxis, 2025; 96 (3) Seite 158