Empfehlungen zur Anwendung des neuen 9-valenten Impfstoffs gegen HPV im Kindes- und Jugendalter. Eine Stellungnahme der Kommission für Infektionskrankheiten und Impffragen der DAKJ.

Hintergrund

Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt seit März 2007 die Impfung gegen Humane Papillomviren (HPV) für Mädchen im Alter von 9 bis 14 Jahren mit dem Ziel, die Krankheitslast durch Zervixkarzinom und dessen Vorstufen zu reduzieren [1]. Als Nachholimpfung ist sie bis zum Alter von 17 Jahren empfohlen. Dafür standen bislang 2 unterschiedliche HPV-Impfstoffe zur Verfügung:

  • Gardasil®, ein 4-valenter Impfstoff, der vor Infektionen mit den Hochrisiko (d. h. eine maligne Entartung begünstigenden) -HPV-Genotypen 16 und 18 sowie den Niedrigrisiko (d. h. v. a. Genitalwarzen begünstigenden) -HPV-Genotypen 6 und 11 schützt und
  • Cervarix®, ein 2-valenter HPV-Impfstoff, der vor Infektionen mit den Hochrisiko-HPV-Genotypen 16 und 18 schützt.

Beide Impfstoffe sind im 2-Dosen-Impfschema im Alter von 9 – 13 (Gardasil®) bzw. 9 – 14 Jahren (Cervarix®) im Abstand von 6 Monaten zugelassen. Bei älteren Personen gilt jeweils ein 3-Dosen-Impfschema (0 – 2 – 6 bzw. 0 – 1 – 6 Monate).

Seit Juli 2015 ist eine Weiterentwicklung von Gardasil®, Gardasil® 9, durch die EMA im 3-Dosen-Impfschema zugelassen. Zusätzlich zum Schutz vor Infektionen mit den Hochrisiko-HPV-Genotypen 16 und 18 sowie den Niedrigrisiko HPV-Genotypen 6 und 11 schützt der 9-valente Impfstoff auch vor Infektionen mit den Hochrisiko-HPV-Genotypen 31, 33, 45, 52 und 58 (wobei der Proteingehalt für die Genotypen 6, 16 und 18 im Vergleich zum 4-valenten Impfstoff erhöht wurde). Der Impfstoff ist für Personen ab dem Alter von 9 Jahren zugelassen, die bislang noch nicht mit einem anderen HPV-Impfstoff geimpft wurden.

Im April 2016 erteilte die EMA auch für dieses Produkt die Zulassung im 2-Dosen-Impfschema im Alter von 9 – 14 (nicht 13, wie beim Vorgängerprodukt) Jahren. Daraufhin folgte die Markteinführung des Impfstoffs in Deutschland. Um eine mit dem 4-valenten Impfstoff Gardasil® bereits begonnene Impfserie auch abschließen zu können, ohne zum Off-label-Gebrauch von Gardasil® 9 gezwungen zu werden, wird Gardasil® nach Angaben des Herstellers (SPMSD) zumindest bis zum Ende des Jahres 2016 weiterhin in Deutschland auf dem Markt bleiben.

Vor diesem Hintergrund hat die STIKO eine Mitteilung zur "Anwendung des 9-valenten Impfstoffs gegen Humane Papillomviren (HPV)" veröffentlicht [2]. Darin empfiehlt sie, eine Impfserie gegen HPV mit dem gleichen HPV-Impfstoff zu komplettieren, mit dem die Impfserie begonnen wurde. Die Tabelle (modifiziert nach STIKO) erläutert das Vorgehen.

In den USA empfiehlt das Advisory Committee on Immunization Practices (ACIP) den 9-valenten HPV-Impfstoff als Alternative zu den bisher verfügbaren 2- und 4-valenten Impfstoffen (MMWR/ March 27, 2015/Vol. 64/No. 11) und widerspricht, anders als die STIKO, nicht der Vervollständigung einer mit 2- oder 4-valentem Impfstoff begonnenen Impfserie durch den 9-valenten Impfstoff als Alternative zur Vervollständigung mit dem ursprünglichen Produkt. Sie hält aber fest, dass keine Daten zu Immunogenität und Wirksamkeit gegen die 5 zusätzlichen HPV-Typen bei diesem Vorgehen bekannt sind (http://www.cdc.gov/hpv/downloads/9vHPV-guidance.pdf).

Stellungnahme der Kommission

Die Kommission unterstützt die Empfehlung der STIKO, in der Übergangszeit der parallelen Verfügbarkeit von 2-, 4-, und 9-valenten HPV-Impfstoffen eine bereits begonnene Impfserie mit dem gleichen Impfstoff zu vervollständigen. Wir weisen darauf hin, dass dies bei begonnener Impfserie mit dem 4-valenten Impfstoff eine zeitgerechte Gabe der 2. (falls altersentsprechend erforderlich auch 3.) Dosis erfordert, weil dieser Impfstoff ab 2017 nicht mehr zur Verfügung stehen wird. Beim 2-Dosen-Schema beträgt der empfohlene Abstand 6 Monate und sollte nicht unterschritten werden, da sonst eine 3. Dosis verabreicht werden muss. Beim 3-Dosen-Schema ist der empfohlene Abstand zwischen der 1. und 2. Dosis 2 Monate (Minimalintervall: 1 Monat) und zwischen der 2. und 3. Dosis 4 Monate (Minimalintervall: 3 Monate).

Kommission für Infektionskrankheiten und Impffragen der DAKJ:
Prof. Dr. med. G. Ch. Korenke (Oldenburg, federführend), Prof. Dr. med. U. Heininger (Basel, Kommissionssprecher), Prof. Dr. med. H.-I. Huppertz (Bremen), Dr. med. S. Peter (Berlin), Dr. med. Renate Klein (Saarbrücken), Prof. Dr. A. Müller (Bonn)

Die Kommission unterstützt auch die Empfehlung der STIKO, ab sofort keine HPV-Impfserie mehr mit dem 4-valenten Impfstoff zu beginnen, sondern bei bislang HPV-ungeimpften Personen wahlweise den 2- oder den 9-valenten Impfstoff zu verwenden.

Die Kommission hätte keine Bedenken, bei einem Lieferengpass des 4-valenten Impfstoffs eine begonnene Impfserie mit dem 9-valenten Impfstoff zu vervollständigen.

Zur Frage, welchen Stellenwert der neue 9-valente HPV-Impfstoff bei bereits vollständig mit 2- oder 4-valentem Impfstoff geimpften Personen hat, ist eine weitere Stellungnahme der Kommission in Bearbeitung.


Literatur
1. Mitteilung der Ständigen Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut: Impfung gegen humane Papillomaviren (HPV) für Mädchen von 12 bis 17 Jahren – Empfehlung und Begründung. Epidem Bull 12/2007
2. Mitteilung der Ständigen Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut: Anwendung des neunvalenten Impfstoffs gegen Humane Papillomviren (HPV). Epidem Bull 16/2016


Korrespondenzadresse
Deutsche Akademie für Kinder- und Jugendmedizin e.V.
Prof. Dr. med. Manfred Gahr, Generalsekretär
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Fax: 0 30/4 00 05 88-88
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Erschienen in: Kinderärztliche Praxis, 2016; 87 (6) Seite 398-399