Der Einsatz künstlicher Intelligenz (KI) verändert die medizinische Versorgung im Hinblick auf Diagnostik, Therapie und Prävention auch in der Pädiatrie grundlegend. Aufgrund der besonderen Schutzbedürftigkeit von Kindern und Jugendlichen stellen sich in der Kinder- und Jugendmedizin jedoch ganz spezifische Fragen, die Professor Dr. Jan de Laffolie aus Gießen beim Pädiatrie Kongress in Leipzig zur Diskussion stellte.

KI werde in der Pädiatrie zunehmend eingesetzt – etwa bei der Früherkennung genetischer Erkrankungen, der Optimierung von Therapien oder im Rahmen der intensivmedizinischen Entscheidungsunterstützung sowie für eine bessere Teilhabe. Dabei müsse aber jeder Arzt wissen, dass KI-basierte Systeme in der Medizin oft nicht gezielt für Kinder und Jugendliche entwickelt werden, da sie als Gesamtgruppe kommerziell weniger relevant und ihre Krankheitsprävalenz geringer ist. Zudem sind KI-Modelle in der Pädiatrie oftmals komplexer umzusetzen.

Beim Leipziger Kongress für Kinder- und Jugendmedizin stellte de Laffolie besonders die ethischen Spannungsfelder heraus, die sich aus diesen neuen Potenzialen ergeben. Etwa beim Datenschutz, indem sensible Daten von Kindern „abgesaugt“ werden könnten. Oder im Bereich der Haftung, wenn etwa Daten, die für Kinder nicht geeignet sind, in KI-Tools dennoch zur Anwendung kommen. Oder im Kontext des Menschenschutzes, der dann gefährdet ist, wenn sensible und hochgeschützte Daten etwa aus der Psychiatrie von der KI genutzt werden. Die Autonomie von Kindern werde zudem dann gefährdet, wenn eine altersgerechte Kommunikation im Umgang mit KI-Tools ausbleibt. Spezifische Risiken könnten sich schließlich auch aus der Anwendung auf nicht kindgerecht trainierte Systeme ergeben.

KI-Systeme bieten hingegen dann einen Nutzen, wenn sie der ärztlichen Beurteilung überlegen sind. Bei chronischen Erkrankungen etwa würden aktuell Chatbots als Erweiterung der ärztlichen Beratungsfunktion für Standardfragen oder häufig auftretende Situationen genutzt, zum Beispiel in Gestalt von Scoring Systemen zur Beurteilung von Krankheitsaktivitäten oder zum Belastungsgrad von Angehörigen. Dort, wo verlässliche Belege vorliegen, wäre ein Verzicht auf KI unethisch, bekräftigte de Laffolie in Leipzig. In diesen Fällen wären die Mediziner mit Hilfe bewährter KI-Tools dann auch wieder in der Lag, ihre ärztliche Rolle als Berater und Gesprächspartner für Patienten besser ausfüllen zu können.

Dabei müsse aber künftig immer der Patient und nicht die Technik im Zentrum des Handelns des Arztes stehen. Ansonsten, so fürchtet de Laffolie, würden auf Dauer wichtige ärztliche Kompetenzen durch die immer stärkere Nutzung von immer besseren Assistenzsystemen verloren gehen.


Raimund Schmid

Quelle: Kongress für Kinder- und Jugendmedizin. Chronische Erkrankungen: Ethische Dimensionen medizinischer KI im Kindes- und Jugendalter. J. de Laffolie. Leipzig. 25.09.2025