Aktuelle Daten zu Misshandlungen und Vernachlässigungen sowie poitive Trends wurden beim Kinder- und Jugend-Ärztetag 2016 in Berlin genannt.

In Deutschland fehlt bis heute ein umfassendes Datenerhebungssystem, um das tatsächliche Ausmaß von Misshandlungen und Vernachlässigungen verlässlich angeben zu können. Dies sei nicht nur für die Statistik eines Landes ein Problem, sondern stelle auch ein großes Hindernis für präventive Ansätze und politische Interventionsmöglichkeiten dar, kritisierte Dr.phil. Andreas Jud von der Hochschule in Luzern beim Kinder- und Jugend-Ärztetag 2016 in Berlin. Erschwerend komme hinzu, dass die erhobenen Daten häufig nicht standardisiert und auch- über die verschiedenen Sektoren hinweg- nicht immer gut vergleichbar seien. Sicher könne man nur sagen, dass die Zahlen für sämtliche Misshandlungsformen psychischer, physischer und sexueller Arzt bundesweit im Zweistelligen Prozentbereich (zwischen 12 und 16%) liegen und das Ausmaß der Vernachlässigungen noch erheblich darüber. Fest stehe auch, dass viele Kinder gleich mehreren Gewaltformen ausgesetzt und Mädchen besonder häufig vom sexuellen Missbrauch betroffen sind.

Auf der anderen Seite seien aber auch positive Trends erkennbar. So gehen bereits seit längerem die strafrechtlichen Anzeigen beim sexuellen Missbrauch- bei allerdings ebenfalls schwacher Datenalge- zurück. Verifiziert wird dieser Trend durch gesicherte Daten aus den USA, wo sich heute ein Rückgang von sexuellen Missbrauchs an Kindern im Vergleich zu den früheren neunziger Jahren um 64% eingestellt hat. Ähnlich drastische Rückgänge gibt es dort auch bei den körperlichen Misshandlungen (um 55%) sowie bei den Vernachlässigungen (13%).

Für Jud ist dieser Trend auch unter Kostengesichtspunkten von großer Bedeutung. Bei schätzungsweise 1,6 Millionen Gewaltdelikten an Kindern pro Jahr allein in Deutschland würden im Durchschnitt pro Fall 6,700 Euro Kosten anfallen, was sich auf rund 11 Milliarden Euro aufaddiert. Jud:"Jeder Bundesbürger muss dafür pro Jahr mit einer Summe von 135 Euro geradestehen".



Autor
Raimund Schmid


Erschienen in: Kinderärztliche Praxis, 2017; 88 (1) Seite 9