Wie und für wen arbeitet eine Schulgesundheitsfachkraft (SGFK)? Wie kommt man zu diesem Beruf und welche Herausforderungen gibt es dabei zu meistern? Die Schulgesundheitsfachkraft Nadine Haunstetter aus Stuttgart-Zuffenhausen geht auf all diese und weitere Fragen ein, nimmt die Leserinnen und Leser mit in ihren Berufsalltag und spricht über ihre Wünsche an die Politik und die besondere Rolle sozialpädiatrisch tätigerÄrztinnenund Ärzte.

© Nadine Haunstetter
Nadine Haunstetter ist ausgebildete Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerin und arbeitet als SGFK am Standort Stuttgart-Zuffen­hausen an 3 Schulen. E-Mail: nadine.haunstetter@googlemail.com

Frau Haunstetter, wo sind Sie genau für wie viele Schülerinnen und Schüler tätig?

Haunstetter: Als ausgebildete Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerin arbeite ich als SGFK am Standort Stuttgart-Zuffenhausen an 3 Schulen: der Uhlandschule (Grund- und Werkrealschule), der Rilke-Realschule und dem Ferdinand-Porsche-Gymnasium. Gemeinsam mit zwei Kolleginnen betreue ich dort rund 1.800 Schülerinnen und Schüler sowie etwa 250 Lehrkräfte und Schulbeschäftigte.

Was hat Sie dazu motiviert, den Beruf der Schulgesundheitsfachkraft zu ergreifen?

Haunstetter: Nach meinem Studium Case Management und Patientenorganisation war ich auf der Suche nach einer Stelle in diesem Bereich. Durch Zufall entdeckte ich die Stellenausschreibung des Gesundheitsamtes der Landeshauptstadt Stuttgart. Die Herausforderung, in einem innovativen Pilotprojekt mitwirken zu können, hat mich von Anfang an gereizt. Heute, nach 3 Jahren Projektphase, bin ich stolz, dass wir als Team den ersten Meilenstein der SGFK in Baden-Württemberg gesetzt haben.

Was sind die wichtigsten Voraussetzungen für die Ausübung des Berufs?

Haunstetter: Eine SGFK ist ein/-e Gesundheit- und Kinderkrankenpfleger/-in mit besonderen Kenntnissen/Qualifikationen in den Bereichen Gesundheitsförderung, Erste Hilfe, Kinder- und Jugendpsychiatrie, Inklusion nach Art. 24 der UN-Behindertenkonvention, Kinderschutz, Recht, Datenschutz und Qualitätssicherung. Sie sichert eine hochwertige, pflegerische und medizinische (Notfall-)Versorgung an Schulen, fördert durch Prävention und Beratung die Entwicklung einer gesunden Schule und somit die Entwicklung der Kinder und Jugendlichen.

Ziel ist, die Gesundheitskompetenz in unserer Gesellschaft zu verbessern, Teilhabe zu ermöglichen und die Entlastung des Gesundheitssystems (Ziel "Gesunde Schule").

Erforderliche Voraussetzungen sind eine gute Kommunikationsfähigkeit, die Bereitschaft zum eigenständigen Arbeiten und der Weitblick, die Schulen als Großes und Ganzes zu erfassen, um eine gesundheitsbezogene Entwicklung zu fördern. Dies setzt voraus, Probleme zu erkennen sowie lösungsorientiert zu handeln, Netzwerkarbeit zu betreiben und die Bereitschaft zur Zusammenarbeit in multi-professionellen Teams.

Was muss man ansonsten noch mitbringen?

Haunstetter: Wichtig ist besonders der Spaß an der Wissensvermittlung und ein empathisches, aber auch konsequentes Auftreten gegenüber Schülerinnen und Schülern. Dabei muss man niederschwellige Wege finden, um eine gute Vertrauensbasis zu Eltern zu schaffen. Berufserfahrung im klinischen Bereich und eine qualifizierte Fachweiterbildung sind außerdem aus meiner Sicht unerlässlich, um diese verantwortungsvolle Arbeit auszuführen. Der Beruf der SGFK ist aus meiner Erfahrung eine echte Chance, ein gesamtgesellschaftliches Umdenken in Bezug auf gesunde Lebensführung, Selbstfürsorge, soziales Miteinander und Gesundheits-/Elternkompetenz positiv zu beeinflussen. Im Übrigen bietet es Pflegekräften, die nicht mehr im klassischen Schichtmodell in Kliniken arbeiten können, eine großartige Möglichkeit, ihren Beruf weiter auszuüben.

»Der Beruf der SGFK ist aus meiner Erfahrung eine echte Chance, ein gesamtgesellschaftliches Umdenken in Bezug auf gesunde Lebensführung, Selbstfürsorge und soziales Miteinander zu beeinflussen.«
Fachtag Schulgesundheitspflege in Stuttgart – ein Meilenstein
International ist die Schulgesundheitspflege in etlichen EU-Staaten schon lange etabliert. Diese Erkenntnis scheint sich nun zunehmend auch in Deutschland durchzusetzen: Denn Schulgesundheitspflegende sind Vertrauenspersonen und in der Schule oft die ersten Ansprechpartnerinnen bzw. Ansprechpartner für die Kinder mit kleinen und auch großen gesundheitlichen Problemen. Um deren Bekanntheitsgrad zu erhöhen, tragen auch Fachtagungen bei, wie zuletzt der ausgebuchte Fachtag Schulgesundheitspflege in Stuttgart, der vom Deutschen Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) Südwest und dem Gesundheitsamt Stuttgart organisiert und von Vertretern von Kommunen, Behörden, Gesundheitsämtern, Pädiatern, Kassen, Schulen, Gesundheitsversorgern und Verbänden rege besucht wurde. Andrea Kiefer, Vorsitzende des DBfK Südwest, hob dabei hervor: "Unser Ziel ist es, unsere Berufsgruppe mit ihrer Expertise sinnvoll in Prävention und Gesundheitsförderung zum Einsatz zu bringen. Schulgesundheitspflege ist hierbei ein wesentlicher Bestandteil". Aktiv beteiligt war an dem Fachtag auch die Schulgesundheitsfachkraft (SGFK) Nadine Haunstetter, eine von insgesamt 10 in Stuttgart mittlerweile fest implementierten SGFKs (siehe Interview). Die Veranstaltung, an der erfreulicherweise auch Krankenkassenvertreter teilnahmen, fand im Gesundheitsamt der Stadt Stuttgart statt. Auch hier wieder ein klares Zeichen für die Kooperation mit dem ÖGD.

Können Sie einen typischen Tagesablauf in ihrem Bereich der Akut- und Notfallversorgung beschreiben?

Haunstetter: Um 7:30 Uhr beginne ich meinen Raum vorzubereiten und mache einen Rundgang durch die 3 Sekretariate und Lehrerzimmer, um zu erfahren, was an diesem Tag ansteht. Eine gute Kommunikation und Sichtbarkeit sind für diese Arbeit elementar wichtig. Dies schafft Vertrauen und Sicherheit. Gegen 8:30 Uhr beginnt die Zeit der Akut- und Notfallversorgung in meinem Behandlungsraum. Die Schülerinnen und Schüler suchen mich wegen Verletzungen auf dem Schulweg, Pausenhof oder im Sportunterricht auf. Andere Gründe sind Unwohlsein durch Kopf- und Bauchschmerzen, Übelkeit, Schulangst, seelische und psychische Probleme, Fragen zu ihrem Körper und Krankheiten, körperliche Auseinandersetzungen und vieles mehr (Abb. 1 – 3). Jeder der 15 bis 30 Fälle pro Tag wird dokumentiert.

An Präventionstagen, wenn eine von uns im Unterricht ist, halten meine Kollegin und ich uns gegenseitig den Rücken frei. In der Regel wird es ab 13 Uhr, mit Beginn der Mittagspause bzw. Schulende, deutlich ruhiger. Ab dann beginnt die Zeit der administrativen Aufgaben sowie das Vorbereiten der Präventionsthemen, Unterrichtsbesuche und Besprechungen, wie z. B. Klassen- und Gesamtlehrerkonferenzen oder Einzelfallbesprechungen am "Runden Tisch".

Abb. 1: Schulgesundheitsfachkraft im Einsatz in einer der beteiligten Modellschulen in Stuttgart.

Welche Problemfelder identifizieren Sie im Zusammenhang mit der Gesundheit junger Menschen in der heutigen Zeit?

Haunstetter: Ich arbeite an sozialen Brennpunktschulen und die Schülerinnen und Schüler wachsen oft in prekären Lebensverhältnissen auf. Armut, Sucht, Migration, die Auswirkungen der Corona-Pandemie, die Krisen durch Kriege und Inflation werden nirgendwo so geballt sichtbar wie bei unseren Kindern. Die daraus resultierenden Folgen sind zunehmende Gewaltbereitschaft, risikobereites Verhalten, Mobbing, Rassismus, ungesunde Ernährung, Essstörungen, Übergewicht und viele mehr.

Müssen Sie sich auch ganz besonders herausfordernden Situationen stellen?

Haunstetter: In den letzten 3 Jahren gab es viele herausfordernde Situationen. Zuletzt passierte ein schwerer Verkehrsunfall mit einer Schülerin, die unachtsam über die Bahngleise rannte und von der Straßenbahn erfasst wurde. Sehr viele Schülerinnen und Schüler, die an den Haltestellen von Bus und Bahn standen oder in der Bahn saßen, waren Zeugen dieses schweren Unglücks. Mit Eintreffen der Rettungskräfte gelang es uns, die teils schwer traumatisierten Kinder und Erwachsenen in die nahe gelegene Turnhalle zu bringen und vor Ort multiprofessionell psychologisch zu unterstützen und aufzufangen. Die darauffolgenden Tage waren sehr herausfordernd, weil wir neben der Zusammenarbeit mit dem kommunalen Hilfesystem zugleich die Akutversorgung aufrechterhalten mussten. Das Erlebte beschäftigt die Schülerinnen und Schüler sowie das Lehrerkollegium noch heute. Ich persönlich habe eine sehr hohe Resilienz durch meine jahrelange Arbeit auf Intensivstationen und gute Wege für mich gefunden, mit solchen Situationen umzugehen und andere zu unterstützen, wieder nach vorne zu schauen.

Abb. 2: Verletzung am Arm einer Schülerin: Gut, wenn dann eine Schulgesundheitsfachkraft an Ort und Stelle ist.

Welche spezifischen Maßnahmen ergreifen Sie, um Kinder und Jugendliche mit seelischen Problemen oder Schulängsten zu unterstützen?

Haunstetter: Hinter manchen körperlichen Problemen stecken auch psychische oder seelische Probleme wie z. B. Schulangst. Auch Panikattacken sind keine seltene Folge bei Ängsten vor Prüfungen, Klassenarbeiten oder Präsentationen. Im Gespräch finde ich recht schnell die Ursache heraus.

In den meisten Fällen sind Maßnahmen wie Atemübungen, beruhigende und motivierende Worte und eine gemeinsame Runde an der frischen Luft ausreichend. Einzelfälle, die regelmäßig auftauchen, versuche ich an die Schulsozialarbeit oder Beratungsstellen weiterzuleiten. Schwerwiegende Fälle, die mit selbstverletzendem Verhalten, Suizidgedanken, Medikamentenintoxikation oder Suchtverhalten auffallen, werden sofort in die Pädiatrische Institutsambulanz bzw. in die Kinderklinik überwiesen.

Wie würden Sie die Rolle der SGFK in Bezug auf die Förderung von Inklusion in Schulen beschreiben?

Haunstetter: In vielen Fällen ist die Inklusion Kindern mit einer chronischen Erkrankung oder einer Behinderung in einer Regelschule wegen Pflegepersonalmangel nicht möglich. Eine Eins-zu-eins-Betreuung für ein Kind mit pflegerischem und/oder medizinischem Unterstützungsbedarf ist zudem sehr kostenintensiv. Die Klärung der Kostenübernahme durch die Krankenkassen oder das Sozialamt dauert lange. Schulgesundheitsfachkräfte, die täglich während der Schulzeit anwesend sind, bieten hier eine niederschwellige und kostengünstige Lösung. Auch Kinder mit Diabetes mellitus betreuen und fördern wir aktiv im Selbstmanagement.

Können Sie uns von einem konkreten Fall berichten, bei dem Ihre Intervention dazu beigetragen hat, die Situation einer Schülerin oder eines Schülers mit Behinderungen oder chronischen Erkrankungen zu verbessern?

Haunstetter: Ich betreue ein 13-jähriges Mädchen, die vor Beginn des Modellprojektes von der Mutter zu Hause beschult wurde und eine schwere Behinderung aufweist. Es dauerte 2 Jahre, bis die Kostenträger sich auf die Finanzierung einer Pflegekraft geeinigt hatten. Weiter scheiterte die Inklusion, weil keine entsprechende Pflegekraft gefunden wurde. Seit ich am Schulcampus arbeite, besucht die Schülerin regelmäßig den Unterricht. Auch der Schulwechsel in die weiterführende Schule verlief unkompliziert, da ich auch für die Realschule zuständig bin. Meines Erachtens sind soziale Teilhabe und das Aufwachsen mit Gleichaltrigen wichtig für die Entwicklung aller Kinder. SGFK tragen hier wesentlich zur gelungenen Inklusion bei, sparen Kosten und entlasten Eltern, Lehrkräfte und Schulpersonal.

Welche Strategien verfolgen Sie, um die gesundheitliche Chancengleichheit aller Schülerinnen und Schüler sicherzustellen?

Haunstetter: Wir wissen aus zahlreichen Studien, dass die Gesundheit bei bildungsfernen Familien schlechter ist. Ein großer Vorteil ist, dass wir in Schulen alle Familien erreichen. Gesundheitslehre durch unsere Präventionsprojekte, gezielte Einzelberatung und bei Bedarf die Weitervermittlung in das kommunale Hilfesystem sind hier niederschwellig möglich. In Planung sind zum Beispiel Gesundheitschecks wie Hör- und Sehtests, Impfbuchkontrollen, Ermittlung von Körpermaßen, Zahngesundheit, etc.

Welche Veränderungen haben Sie in der Gesundheitskompetenz der Schülerinnen, Schüler, Eltern und Lehrkräfte durch Ihre Präventionsveranstaltungen und Schulungen festgestellt?

Haunstetter: Die Kinder und Jugendlichen wissen, dass ich unter Schweigepflicht stehe, sie kennen mich und meine Tür steht jederzeit für alle offen. Ich bin Ansprech- und Vertrauensperson. Die Schülerinnen und Schüler kommen zunehmend mit Fragen zu ihrem Körper, zu Gesundheitsthemen, Krankheiten, mit seelischen und psychischen Themen wie Gewalt in der Familie, Sucht der Eltern, Scheidung der Eltern, Tod, etc. Wir sind keine Therapeuten, aber oft reicht es den Kindern und Jugendlichen, mit einer erwachsenen Person zu sprechen, die völlig wertfrei denkt und handelt. Auch Eltern legen großen Wert auf meine Expertise und Einschätzung. In der Regel sind sie dankbar und folgen meiner Empfehlung. Dadurch werden unnötige Arztbesuche in Praxen und Notaufnahmen reduziert. Lehrer sprechen uns für Unterstützung bei eigenen Projekten an oder wenn ihnen eine Schülerin oder ein Schüler auffällt. Das Interesse für Gesundheitsthemen ist eigentlich auch bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen grundsätzlich da. Manchmal braucht es jemanden, der einem Wege zur Veränderung aufzeigt. Wir versuchen, unsere Themen in Form von aktiven Workshops anzubieten. Das bleibt besser im Gedächtnis und regt zum Nachmachen an. Ich gehe zum Beispiel mit Schülerinnen und Schülern in die Verbraucherzentrale oder in den Supermarkt. Wir vergleichen Zutatenlisten, Nährwerttabellen und Preise.

Tauschen Sie sich regelmäßig mit anderen medizinischen Fachkräften aus?

Haunstetter: Ja, jede Woche mit Ärztinnen, Ärzten und einer Psychiaterin des Gesundheitsamts. Diese sind für uns in Akutfällen auch telefonisch erreichbar. Einmal wöchentlich treffen wir uns zur Teamsitzung im Gesundheitsamt.

Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit mit den Schulsozialarbeiterinnen, Schulsozialarbeitern, kommunalen Netzwerkpartnern und anderen Beratungsstellen im Rahmen Ihrer Tätigkeit?

Haunstetter: Die Zusammenarbeit mit Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeitern funktioniert bei gemeinsam geplanten Aktionen gut. In der Einzelfallberatung kommt es immer mal zu Überschneidungen, was meines Erachtens eine Offenheit unserer Berufsgruppe gegenüber erfordert. Die Netzwerkarbeit zu kommunalen Beratungsstellen und deren Präventionsangeboten bieten uns eine weitere wichtige Möglichkeit, Themen abzudecken, die wir nicht selbst leisten können. Eine wichtige Aufgabe ist hier die Lotsenfunktion, um Schülerinnen und Schüler bei Bedarf niederschwellig weiterzuleiten. Des Weiteren pflegen wir den Austausch in einem Netzwerktreffen im Gesundheitsamt mit dem Schulamt, Schulverwaltungsamt, Jugendamt, Amt für Sport und Bewegung, der Unfallkasse BW und Rektoren. Beim jährlichen Schulbeirat sind unter anderem die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, der Schulrat und Krankenkassen beteiligt. Dies dient zum einen der Berichterstattung unsererseits, aber auch der Unterstützung in unserer Arbeit.

Welche Rückmeldungen bekommen Sie von den Schülerinnen und Schülern?

Haunstetter: Für viele sind wir nicht mehr wegzudenken. Es gibt aber auch durchaus Diskussionen, zum Beispiel darüber, dass ich beim Pausenverkauf darum gebeten habe, auf den Eistee und andere Süßgetränke zu verzichten. Damit waren nicht alle einverstanden.

Abb. 3: Die Vermittlung von Basics gehört auch zur Aufgabe einer Schulgesundheitsfachkraft: zum Beispiel die Schüler daran zu erinnern, genügend zu trinken.

Mit wem sind Sie angesichts der herausfordernden Aufgaben regelmäßig im Austausch?

Haunstetter: Ich bin teils im täglichen, teils im wöchentlichen Austausch mit meinen direkten Kolleginnen und Kollegen, bzw. für die Einarbeitung neuer Kolleginnen und Kollegen zuständig. Einmal im Jahr findet das bundesweite Netzwerktreffen der SGFKs in Berlin statt, das vom Deutschen Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) gesteuert wird. Des Weiteren gehöre ich zum Ausschuss der DGSPJ und dem Deutscher Pflegerat (DPR). Auch dieser bundesweite und wissenschaftliche Austausch ist für meine Arbeit sehr hilfreich.

Was wünschen Sie sich von der Politik?

Haunstetter: Ich wünsche mir, dass es eine einheitliche Finanzierung von SGFKs gibt und nicht jedes Bundesland erneut ein Pilotprojekt starten muss, um den Sinn und Nutzen von SGFKs zu belegen. Eine strukturierte, zügige und flächendeckende Einführung von SGFKs in Deutschland ist aus meiner Sicht die Lösung für viele Probleme im Setting Schule. Um einige zu nennen: die Umsetzung des Art. 24 der UN-Behindertenkonvention, die Verbesserung der Gesundheits- und Elternkompetenz und langfristig die Erziehung zu einer gesünderen Gesellschaft, die Entlastung der Lehrerinnen und Lehrer und somit das Vorbeugen von zum Beispiel Burnout, die Entlastung von niedergelassenen Kinderärztinnen und -ärzten und Notfallambulanzen und somit die Einsparung von Geldern für Kranken-, Unfall- und Rentenkassen etc. SGFKs können helfen, das System zu entlasten, wenn sie flächendeckend etabliert werden. Eine Finanzierungsmöglichkeit bietet das Startchancen-Programm. Bis zum Schuljahr 2026/27 wird es in ganz Deutschland etwa 4.000 Startchancen-Schulen geben.

Sollten sich nicht gerade Sozialpädiaterinnen und Sozialpädiater für die Etablierung der SGFKs besonders stark machen? Sie könnten ideale Fürsprecher für den Einsatz von SGFKs sein.

Haunstetter: Durch ihr Fachwissen über die psychosozialen und gesundheitlichen Bedürfnisse von Kindern- und Jugendlichen und deren Familien könnten gerade Sozialpädiaterinnen und Sozialpädiater auf verschiedenen Ebenen zur Etablierung beitragen:

  • Politisch: Lobbyarbeit: durch Beiträge in Fachgesellschaften (z. B. Kultusministerium oder ÖGD der Länder)
  • Wissenschaftlich: durch Studien und Publikationen zur Wirksamkeit
  • Öffentlichkeitsarbeit: durch Aufklärung über die Vorteile, insbesondere bei der Chancengleichheit und Inklusion. So wird das Bewusstsein der Öffentlichkeit geschärft und der politische Druck erhöht
  • Praxisbezogen: durch z. B. Kontakte zu Schulärztinnen und -ärzten, SGFKs und Schulleiterinnen und -leitern, um Versorgungskonzepte zu entwickeln, um eine bessere Betreuung zu gewährleisten
  • Netzwerk: durch interdisziplinäre Zusammenarbeit mit anderen Fachrichtungen
  • Fortbildung: Sozialpädiaterinnen und -pädiater könnten als Dozenten und Mentoren für die Weiterbildung von Schulgesundheitsfachkräften fungieren

»Rechnet sich die SGFK? »In jeder Hinsicht eindeutig ja!««

Wie kann das Zusammenwirken zwischen sozialpädiatrisch engagierten Pädiaterinnen und Pädiatern und den SGFKs verbessert werden? Müssen hierfür auch neue strukturelle Pfeiler eingeschlagen und aufgebaut werden?

Haunstetter: Maßnahmen, die das Zusammenwirken effizienter machen, die Versorgung der Kinder und Jugendlichen ganzheitlich verbessern und letztlich die schulische Gesundheit nachhaltig stärkt, könnten folgende sein:

  • Zusammenarbeit in multiprofessionellen Teams: Durch einen ganzheitlichen Ansatz wird die Versorgung umfassender und eine gute Kommunikation zwischen den Akteuren gefördert.
  • Klare Rollen- und Aufgabenverteilung: Pädiaterinnen/Pädiater, SGFK, Schulsozialarbeiterinnen/-arbeiter, Schulleitungen, Lehrkräfte, Psycholgoginnen/Psychologen bringen ihre Stärken ein und grenzen ihre Aufgaben klar ab. Ein abgestimmtes Tätigkeitsprofil vermeidet Überschneidungen.
  • Fallbesprechungen, Teamsitzungen: regelmäßige Fallkonferenzen, um komplexe Fälle zu besprechen und Interventionen zu entwickeln, z. B. bei chronischen Erkrankungen oder psychischen Belastungen
  • Digitale Dokumentation, Evaluation und Kommunikation: ermöglicht schnellen unkomplizierten Austausch von Informationen, Terminen, Planung von Präventionsmaßnahmen und eine überregionale Zusammenarbeit bzw. Vernetzung

Zum Schluss: Rechnet sich die SGFK?

Haunstetter: Nach mehr als 4 Jahren lautet die Antwort: In jeder Hinsicht eindeutig ja! Mit Blick auf unsere Nachbarländer wie Schweden, Belgien, Dänemark u. a. die seit über 100 Jahren Schulgesundheitsfachkräfte in Schulen haben, müssen wir den Beruf auch nicht gänzlich neu erfinden. In Deutschland müssen hierfür neue strukturelle Pfeiler eingeschlagen und aufgebaut werden. Diese Aufgabe schaffen wir aber nur gemeinsam!

Die Fragen hat Raimund Schmid gestellt


Erschienen in: Kinderärztliche Praxis, 2025; 96 (5) Seite 383-387