Die häufigsten Vergiftungsunfälle im Kindesalter resultieren aus der Einnahme von Haushaltsprodukten wie Reinigungsmitteln oder Körperpflegeprodukten sowie Giftpflanzen. Danach folgen Vergiftungen durch nicht sicher verwahrte Medikamente, die von Kindern eingenommen wurden. Diese werden – wie eine neue amerikanische Datenbankstudie zeigt – von Kindern und Teenagern zunehmend in selbstverletzender oder suizidaler Absicht verwendet.

Matthew J. Ruge und sein Team vom Central Michigan University College of Medicine werteten pädiatrische Vergiftungsfälle durch Medikamente, Nahrungsergänzungsmittel und psychogene Substanzen aus, die sich zwischen 2000 und 2023 in den USA ereignet hatten. In diesem Zeitraum wurden den US-amerikanischen Giftnotrufzentralen mehr als 1,5 Millionen Fälle von primären Substanzkontakten bei Kindern im Alter von 6 bis 12 Jahren gemeldet. Die Rate der Vergiftungsfälle durch Medikamente ist im Studienzeitraum damit um 54 % angestiegen.

In 87 % der Fälle wurden die Substanzen unabsichtlich eingenommen, vor allem von kleineren Kindern. In nur 2 % dieser Fälle verlief die Einnahme ernsthaft. Obwohl die meisten Expositionen nur minimale medizinische Folgen hatten, wurden 3,5 % der Kinder stationär aufgenommen, 4,0 % erlitten moderate und 0,3 % schwerwiegende Auswirkungen. Zudem wurden 95 Todesfälle gemeldet. Einnahmefehler machten 48,6 % der Expositionen aus. Vergiftungen im Zusammenhang mit vermuteter Selbstverletzung oder Suizidabsicht machten zwar insgesamt nur 4,7 % aus, waren aber für 25,8 % der Expositionen bei zwölfjährigen Kindern verantwortlich. Mit zunehmendem Alter stieg der Anteil derjenigen, die das Medikament oder die Droge vorsätzlich eingenommen hatten. Von den Zwölfjährigen hatte dies gut ein Viertel in selbstverletzender oder suizidaler Absicht getan, wobei dies vor allem Mädchen betraf (insgesamt 83 %). Im gesamten Studienzeitraum stiegen solche Fälle bei den Sechs- bis Zehnjährigen um 72 %, bei den Elf- und Zwölfjährigen sogar um 398 % bzw. 343 %. Fast alle Fälle mit selbstverletzender Absicht ereigneten sich im häuslichen Umfeld. Am häufigsten waren Analgetika im Spiel (35 %), gefolgt von Antidepressiva (17 %), Antihistaminika (9 %) und der Gruppe der Sedativa, Hypnotika und Antipsychotika (8 %). Während es zwischen 2000 und 2008 insgesamt einen Rückgang gab, stieg die Rate zwischen 2008 und 2021 steil an, gefolgt von einem erneuten Abwärtstrend.

Ruge et al. zufolge sind die Ursachen wohl multifaktoriell. In Frage kommen möglicherweise der steigende Konsum sozialer Medien, der in Studien auch im Kindesalter mit Depressionen und suizidalem Verhalten in Verbindung gebracht wurde, sowie die Auswirkungen der Corona-Pandemie.

Das Forschungsteam schlägt eine Reihe von Strategien vor, um substanzbedingten Suizidversuchen vorzubeugen. Diese reichen von Beratungsangeboten für Kinder und Familien über die sichere Verwahrung von Arzneimitteln im Haushalt bis hin zu verstärkten Fortbildungen für Ärzte zum rationalen Verschreiben von Medikamenten.


Katharina Maidhof-Schmid

Quelle: Ruge MJ et al. Poison Center Calls About Self-Harm or Suicidal Intent and Other Exposure Reasons in 6- to 12-Year-Old Children. Pediatrics. 2025 Oct 1;156(4):e2024069753. Doi: 10.1542/peds.2024-069753