Eine Schweizer Forschungsgruppe hat sich die Frage nach der Sicherheit von hochdosiertem Erythropoetin bei sehr kleinen Frühgeborenen gestellt. Ihre Studie liefert interessante Daten.

Rekombinantes, humanes Erythropoetin wird seit vielen Jahren für die Prävention von Frühgeborenenanämien eingesetzt. In Zusammenhang mit dieser Behandlung wurden in einigen Studien auch Verbesserungen der kognitiven Entwicklung und des Intelligenzquotienten im weiteren Verlauf beobachtet. Es war daher naheliegend, rekombinantes, humanes Erythropoetin für diese Indikation auch primär einzusetzen.

Eine Schweizer Forschungsgruppe hat sich die Frage nach der Sicherheit von hochdosiertem Erythropoetin bei sehr kleinen Frühgeborenen gestellt. Fauchère et al. nahmen in die randomisierte, ­placebokontrollierte Phase-II-Studie Frühgeborene von 26 + 0 bis 31 + 6 Schwangerschaftswochen auf. Ausgeschlossen waren Frühgeborene mit Syndromen, angeborenen Fehlbildungen mit Einfluss auf die Neuroentwicklung und intraventrikulären Blutungen ab Grad III. Die Patienten erhielten innerhalb der ersten 3 Stunden nach der Geburt placebokontrolliert zu 3 verschiedenen Zeitpunkten Erythropoetin (3000 I. E. rekombinantes Erythropoetin/kg Körpergewicht). In die Studie wurden 229 Kinder, die EPO erhielten, eingeschlossen, 214 erhielten Placebo. Bis auf einen signifikanten Unterschied beim 5-Minuten-Apgar-Score (EPO-Gruppe: 7,6/ Placebogruppe: 7,3; p = 0,037) wiesen die Frühgeborenen beider Gruppen vergleichbare Parameter auf. In der Verumgruppe überlebten 85,6 % der Kinder ohne schwere intraventrikuläre Blutung, PVL oder Frühgeborenenretinopathie, in der Placebogruppe waren es 85,5 %, die überlebten. Auch in Bezug auf intraventrikuläre Blutungen, ventrikuläre Dilatationen, zystische und nichtzystische periventrikuläre Leukomalazie, Augenbeteiligung, Sepsis sowie NEC und PDA, BPD und Hämangiome wurden keine Unterschiede zwischen beiden Gruppen festgestellt. Am 7. bis 10. Lebenstag waren in der EPO-Gruppe die Werte für Hämatokrit, Retikulozyten und Leukozyten signifikant höher (p = 0,002, p = 0,000 und p = 0,001), die Thrombozytenzahl dagegen signifikant niedriger (p= 0,001) als in der Placebogruppe.

Die Autoren schließen aus ihren Untersuchungen, dass in dieser Phase-II-Studie die frühe, hochdosierte Gabe von Erythropoetin bei sehr kleinen Frühgeborenen sicher ist. Zwischen Verum und Placebo gab es hinsichtlich schwerer unerwünschter Wirkungen, Komplikationen und Mortalität keine Unterschiede.

Kommentar:
Die Studie liefert Daten zur Sicherheit von ­Erythropoetin, wenn dieses mit dem Ziel „Neuroprotektion“ eingesetzt wird. Die Fallzahl ist in Bezug auf sehr unreife Frühgeborene hoch, für die Detektion von seltenen unerwünschten Ereignissen jedoch noch niedrig. Eine abschließende Beurteilung zur Sicherheit der EPO-Gabe bei Frühgeborenen zur Neuroprotektion kann daher nicht getroffen werden. Auch ist der Nachbeobachtungszeitraum relativ kurz.

Literatur
Fauchère JC et al. (2015) Safety of early high-dose recombinant erythropoietin for neuroprotection in very preterm infants. J Pediatr 167: 52 – 57


Autor
Univ.-Prof. Dr. med. Markus Knuf


Erschienen in: Kinderärztliche Praxis, 2016; 87 (6) Seite 354