In dem im August 2025 veröffentlichten Leopoldina-Diskussionspapier "Soziale Medien und die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen" bewertet eine interdisziplinäre Gruppe von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern die aktuelle Studienlage und adressiert die Politik mit konkreten Handlungsempfehlungen zum Schutz junger Menschen im digitalen Raum.

Die Nutzung sozialer Medien ist für einen Großteil der Kinder und Jugendlichen in Deutschland längst alltäglich. Viele von ihnen zeigen dabei ein riskantes, manche sogar ein suchtartiges Nutzungsverhalten. Zwar kann die Nutzung sozialer Medien durchaus positive Effekte für Heranwachsende haben – bei intensiver Nutzung können jedoch negative Auswirkungen auf das psychische, emotionale und soziale Wohlbefinden auftreten, wie Depressions- und Angstsymptome, Aufmerksamkeits- oder Schlafprobleme. In einem im August 2025 veröffentlichten Diskussionspapier der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina schlagen die beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler deshalb die Anwendung des Vorsorgeprinzips vor. In dem Papier "Soziale Medien und die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen" geben sie Handlungsempfehlungen, um Kinder und Jugendliche vor negativen Folgen sozialer Medien zu schützen, beispielsweise durch altersabhängige Zugangs- und Funktionsbeschränkungen.

Mögliche schädliche Auswirkungen durch Social-Media-Nutzung

Das Diskussionspapier gibt einen Einblick in die aktuelle Studienlage zum Einfluss sozialer Medien auf die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen. Der Großteil der verfügbaren Evidenz ist korrelativer und nicht kausaler Natur: Querschnittstudien belegen einen statistischen Zusammenhang zwischen der Nutzung sozialer Medien und einer zunehmenden psychischen Belastung. Einige Längsschnittstudien über längere Zeiträume hinweg liefern zudem Hinweise darauf, dass die intensive Nutzung sozialer Medien ursächlich für diese Belastungen sein kann. Die Autorinnen und Autoren sprechen sich deshalb für die Anwendung des Vorsorgeprinzips aus: Es besagt, dass vorbeugende Maßnahmen ergriffen werden sollten, wenn es Hinweise auf mögliche schädliche Auswirkungen gibt, auch wenn wissenschaftlich noch nicht vollständig geklärt ist, wie groß das Risiko tatsächlich ist.

Konkrete Handlungsempfehlungen

Laut den Autorinnen und Autoren besteht politischer Handlungsbedarf zum Schutz von Kindern und Jugendlichen, da die möglichen Gefährdungen durch eine intensive Social-Media-Nutzung erheblich sind. Die beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler formulieren im Diskussionspapier konkrete Handlungsempfehlungen, um Kinder und Jugendliche vor den Gefahren sozialer Medien zu schützen und sie gleichzeitig zu einem reflektierten und kompetenten Umgang mit ihnen zu befähigen. Sie sprechen sich dafür aus, dass Kinder unter 13 Jahren keine Social-Media-Accounts einrichten dürfen. Für 13- bis 15-jährige Jugendliche sollten soziale Medien nur nach gesetzlich vorgeschriebener elterlicher Zustimmung nutzbar sein. Für 13- bis 17-Jährige sollen soziale Netzwerke zudem altersgerecht gestaltet werden – beispielsweise bei den algorithmischen Vorschlägen, durch ein Verbot von personalisierter Werbung oder durch die Unterbindung besonders suchterzeugender Funktionen wie Push-Nachrichten und endloses Scrollen. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler empfehlen außerdem, die Nutzung von Smartphones in Kitas und Schulen bis einschließlich Klasse 10 nicht zuzulassen.

Wie lassen sich Altersgrenzen und altersgerechte Einschränkungen umsetzen?

Das Diskussionspapier erläutert auch die mögliche Umsetzung der Altersgrenzen und altersgerechten Einschränkungen auf Social Media. Hier sehen die Autorinnen und Autoren vor allem auf EU-Ebene Möglichkeiten der Regulierung. Die deutsche Bundesregierung sollte sich dort für entsprechende gesetzliche Regelungen einsetzen. Ein vielversprechender Ansatz ist bereits die geplante Einführung der "EUDI-Wallet", die einen datenschutzkonformen digitalen Altersnachweis ermöglichen soll. Um einen reflektierten Umgang mit sozialen Medien zu fördern, schlagen die Autorinnen und Autoren vor, einen digitalen Bildungskanon in Kitas und Schulen zu verankern, der Kinder und Jugendliche auf Themen des digitalen Lebens vorbereitet. Die Kompetenzen von Lehr- und Erziehungsfachkräften sollten gestärkt werden, um riskantes bzw. suchtartiges Nutzungsverhalten frühzeitig erkennen und adressieren zu können. Niedrigschwellige Public-Health-Kampagnen sollten Familien zudem über die Einflüsse sozialer Medien auf die psychische Gesundheit sowie über die Möglichkeiten einer positiven Gestaltung der Social-Media-Nutzung informieren. Zudem bedarf es weiterer Forschung, um die Wirkmechanismen der Nutzung sozialer Medien in dieser Altersgruppe besser zu verstehen und die Effektivität der Schutzmaßnahmen zu evaluieren.

Die wichtigsten Empfehlungen im Überblick:
  • Verbot der Social-Media-Nutzung für Kinder unter 13 Jahren
  • Nutzung von sozialen Medien zwischen 13 und 16 Jahren nur mit gesetzlich geregelter elterlicher Zustimmung
  • Altersabhängige Einschränkung suchterzeugender Funktionen (z. B. Push-Nachrichten, Endlos-Scrollen)
  • Smartphone-Verbot an Schulen bis Klasse 10
  • Verankerung eines digitalen Bildungskanons in Kitas und Schulen
  • Regulatorische Maßnahmen auf EU-Ebene – u. a. durch die Einführung der "EUDI-Wallet" als datenschutzkonformen Altersnachweis
Zum vollständigen Diskussionspapier:
Das Diskussionspapier "Soziale Medien und die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen (2025)" ist auf der Website der Leopoldina veröffentlicht: 2025_Diskussionspapier_Soziale_Medien.pdf

Red.


Quelle
Nach Informationen der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina am 11. August 2025Soziale Medien können bei intensiver Nutzung negative Auswirkungen auf das psychische, emotionale und soziale Wohlbefinden haben, wie Depressions- und Angstsymptome, Aufmerksamkeits- oder Schlafprobleme.

Erschienen in: Kinderärztliche Praxis, 2025; 96 (6) Seite 455-456