Eltern haben bekanntlich mitunter ein gutes Gespür, wenn sich der gesundheitliche Zustand ihrer Kinder in kritischer Weise verschlechtert. Doch was ist die elterliche Wahrnehmung wert, wenn es darum geht, in einer Klinik lebensbedrohliche Situationen früh zu erkennen und richtig zu bewerten?

Um das herauszufinden, waren alle Mitarbeitenden des Monash Children’s Hospitals in Melbourne in Gestalt einer prospektiven Beobachtungsstudie instruiert worden, Eltern von Kindern in der Notaufnahme oder auf Station vor dem Erheben von Vitalparametern die Frage um den Grad des kritischen Zustands ihres Kindes zu stellen. Zwischen 2020 und 2022 haben die Eltern von mehr als 24.000 Kindern in der Notaufnahme oder danach (40 % wurden stationär aufgenommen) die Frage mindestens einmal erhalten und beantwortet. Knapp ein Fünftel von ihnen hatte zu irgendeinem Zeitpunkt Sorge über eine Verschlechterung des Zustands des Kindes geäußert.

Und das zahlt sich offenbar aus. Denn eine Aufnahme auf die Intensivstation wurde bei 6,9 % der Kinder besorgter Eltern nötig, aber nur bei 1,8 % der Kinder, deren Eltern den Zustand ihres Kindes nicht so kritisch eingestuft hatten. Die Wahrscheinlichkeit einer notwendigen intensivmedizinischen Behandlung war damit bei besorgten Eltern rund viermal so hoch wie bei den Eltern, die den Gesundheitsstatus ihres Kindes nicht so kritisch sahen.

Besonders erstaunlich war aus Sicht der Pädiater die Tatsache, dass die Sorge der Eltern enger mit einem Aufenthalt auf einer Intensivstation assoziiert war als jeder einzelne Vitalparameter, zu denen etwa eine zu hohe oder zu niedrige Herz- oder Atemfrequenz zählten. Auch für die Notwendigkeit einer maschinellen Beatmung hatten die Eltern ein gutes Gespür. Sahen die Eltern den Zustand ihres Kindes als besonders kritisch an, war eine maschinelle Beatmung fast fünfmal so wahrscheinlich wie in den anderen Fällen.

Bei fast 1.900 Kindern hatten sowohl die elterliche Wahrnehmung als auch die Vitalparameter in gleicher Weise auf eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes hingewiesen. Aber nicht immer gleich schnell. Zwar hatten in 9 % dieser Fälle Eltern und Vitalparameter gleich früh Alarm geschlagen. In 19 % dieser Fälle waren die Eltern jedoch deutlich schneller – im Durchschnitt trafen sie ihre richtige Einschätzung sieben Stunden bevor die ersten auffälligen Vitalparameter vorlagen.

Fazit der Studienautoren: „Das proaktive Identifizieren von Sorgen der Erziehungsberechtigten sollte ebenso wie das Monitoring der Vitalzeichen als Standardkomponente der klinischen Versorgung in die routinemäßigen Versorgungsprozesse eingebaut werden.“


Raimund Schmid

Quelle: Mills E et al. Association between caregiver concern for clinical deterioration and critical illness in children presenting to hospital: a prospective cohort study. Lancet Child Adolesc Health. 2025 Jul;9(7):450-458. doi: 10.1016/S2352-4642(25)00098-7