Ein extrem wählerisches Essverhalten und die Verweigerung von Essen gab es bei Kindern schon immer und treibt die Eltern zur Verzweiflung. Nun zeigt eine neue Studie, dass hinter diesem Verhalten eine ernste Störung stecken könnte. Die Abkürzung ARFID steht für „Avoidant-restrictive food intake disorder“. Ins Deutsche übersetzt bedeutet der Begriff „vermeidend-restriktive Ernährungsstörung“.
Nicht wenige Kleinkinder, größere Kinder, aber auch Jugendliche und Erwachsene haben kein Interesse und keine Freude am Essen. Sie vermeiden bestimmte Speisen aus Angst vor negativen Folgen, schränken die Menge und Auswahl von Lebensmitteln extrem ein und ernähren sich beispielsweise fast nur von Nudeln, Pommes oder Schokobrötchen. Ganz besonders trifft dies auf Kinder mit autistischen Störungen oder Behinderungen zu. Dieses wählerische Essverhalten kann sich auf Farbe, Geschmack, Geruch oder Textur der Nahrung beziehen. Teenager und Erwachsene, die von dieser Ernährungsstörung betroffen sind, haben nicht das Ziel, ihr Körpergewicht zu kontrollieren oder eine bestimmte Körperform zu erreichen. Die selbst auferlegten Einschränkungen bei der Nahrungsaufnahme können jedoch so erheblich sein, dass sie zu starken Gewichtsverlusten, Mangelerscheinungen und einer Abhängigkeit von Nahrungsergänzungsmitteln bzw. Sondennahrung führen. Nicht selten beeinträchtigt das gestörte Essverhalten auch das soziale Leben und den Alltag der Betroffenen. Oft ist auch das Erkennen von Hunger gestört. Diese Form der Ernährungsstörung ist seit 2013 als eigenständige Erkrankung anerkannt.
Ein Forschungsteam um Dr. Michelle Sader von der Universität Aberdeen hat in einer Studie die Gehirnscans von 1.977 zehnjährigen Kindern aus den Niederlanden analysiert. Dabei zeigte sich: Kinder mit ARFID-Symptomen – rund 6 % der Teilnehmer – wiesen eine größere kortikale Dicke in bestimmten Hirnbereichen auf, die unter anderem für die Informationsverarbeitung und Entscheidungsfindung zuständig sind. Besonders auffällig waren Veränderungen in den Regionen, die exekutive Funktionen steuern. Dazu zählen Fähigkeiten wie Konflikterkennung und Impulskontrolle.
Die Ergebnisse der Studie bieten eine Grundlage für bessere Diagnose- und Behandlungsansätze. Laut Sader ist ARFID noch wenig erforscht, obwohl es einen erheblichen Einfluss auf das Leben der Betroffenen hat. Die Erkenntnisse zu den Hirnstrukturen helfen dabei, neue Therapiemöglichkeiten zu entwickeln und die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern.
Katharina Maidhof-Schmid