Hier werden zwei Bücher zusammen vorgestellt: Professor von Voss findet, dass sie ein Unikat besonderer Art darstellen.

Es ist eher ungewöhnlich, zwei neu erschienene Fachbücher synchron zu besprechen. Im Fall von angeborenen Herzfehlern bei Kindern ist es hingegen geboten, diese beiden Bücher im Kontext kennenzulernen und herauszustellen, warum diese ein Unikat besonderer Art darstellen.

Kinderkardiologen erleben ihre Patienten mit angeborenen Herzfehlern primär sehr häufig in Krisensituationen, wo es zunächst um eine präzise Diagnostik, Typisierung der Krankheit und um das Überleben des Frühgeborenen, Neugeborenen oder auch Kleinkindes und jungen Erwachsenen durch schnelles und fachkundiges Handeln geht. Unabhängig aber von solchen lebensbedrohlichen Situationen für die kleinen Patienten und deren besorgte Eltern wird der Kinderkardiologe aufgesucht, da der Kinderarzt in der Praxis oder Mitarbeiter in einer Kinderklinik Symptome entdecken, die einen angeborenen Herzfehler vermuten lassen.

Ein Kompendium als Handbuch für den Arzt ...

In der Öffentlichkeit wird ein Herzfehler sehr oft mit Blauverfärbung der Lippen oder Leistungsschwäche in Verbindung gebracht. Dass solche Interpretationen im Einzelfall zutreffen können, aber eben angeborene Herzfehler sich sehr unterschiedlich und zu sehr unterschiedlichen Lebenszeitpunkten klinisch präsentieren, dies vermittelt das als "Kompendium" benannte Buch der zwei Kinderkardiologen (Meyer und Beerbaum) sowie der Kinderkardiochirurgin Blum in höchst anschaulicher Art und Weise. Nimmt man es zur Hand, so entdeckt man sehr schnell, dass hier ein Werk verfügbar gemacht wurde, hinter dem sich Detailwissen bis ins Einzelne von erfahrenen Kinder-Herzspezialisten dargestellt verbirgt. Hervorzuheben sind in diesem eher als Handbuch zu bezeichnenden "Kompendium", dass alle Aspekte der Pathophysiologie nicht nur beschrieben werden, sondern sich der Leser anhand bestens beschrifteter Abbildungen zu einem jeden angeborenen Herzfehler informieren kann, zu welchen Kurzschlüssen und Fehlbildungen es am Herzen kongenital kommen kann.

Man wähle z. B. das Kapitel zum hypoplastischen Linksherzsyndrom aus und wird dann feststellen können, dass zu Anatomie, Verlauf, Symptomatik, Diagnostik und Therapie alle wichtigen Aspekte anschaulich abgehandelt werden, sodass vor allem der Kinder- und Jugendarzt während seiner Weiterbildungszeit verstehen lernen kann, wie kompliziert eine solche angeborene Herzkrankheit bei einem Kind ist und welche Risiken solch ein Kind einerseits, Chancen der Behandlung andererseits ausgesetzt sein kann. Wichtig sind in jedem Kapitel u. a. die Informationen zu dem Verlauf nach operativen und invasiven Korrekturmaßnahmen sowie weitere Informationen, die vor allem bei der Nachbehandlung dieser Kinder enorm wichtig sind. Dass in diesem Handbuch natürlich auch komplizierte Zusammenhänge zu angeborenen Herzfehlern unter Nutzung von Fachbegriffen dargestellt werden müssen, dies ist für den Lernenden unvermeidbar.

Die große Kunst des Kinderkardiologen ist es in diesem Zusammenhang, vor allem Eltern aber auch dem Pflegepersonal und Nichtkinderkardiologen die Komplexität angeborener Herzfehler anschaulich erklären zu können.

... und ein Ratgeber für Eltern und Pflegende

Der Ratgeber zu angeborenen Herzfehlern ist somit unverzichtbar, will man das Herz-Kreislauf-Problem Eltern, Pflegenden und auch den älter werdenden ehemaligen Patienten mit einem operativ korrigierten angeborenen Herzfehler veranschaulichen. Die Abbildungen zu jedem einzelnen angeborenen Herzfehler sind mehr als lehrreich.

Man nehme als Beispiel hier den "persistierenden Ductus arteriosus Botalli" und lese im Ratgeber genauestens nach, wie sich dieser Herzfehler offenbart. Zunächst entwickelt sich ein solches Kind normal bis zu dem Zeitpunkt, wo endlich einmal intensiv und nicht nur symbolisch das Herz abgehört wird. Mit dem Werkzeug "Stethoskop" hört man nun ein typisches Geräusch. Dass Kinder mit einem solchen angeborenen Herzfehler aber mit der Zeit ohne Korrektur des Herzfehlers körperlich Leistungseinschränkungen aufweisen, zunehmend bedroht werden, dies darf nicht übersehen werden, ganz abgesehen davon, dass hier keine Blausucht als Symptom auftaucht und weiterhin im Prinzip der Fehler an der Aorta und Lungenschlagader außerhalb des Herzens gelegen ist, also Kenntnisse auch zu Kreislaufverhältnissen beim reifenden Kind gelernt werden müssen.

In diesem Kapitel und allen anderen werden Fragen formuliert, die auch Eltern und Unwissende stellen. Liest man die Fragen und Antworten genau, dann darf man feststellen, dass die vielfach auch in anderen Fachgebieten eingesetzte "Geheimsprache" von Medizinern hier nicht auftaucht. Ganz im Gegenteil: Dieser Ratgeber ist ein Kommunikationsvermittler zu komplizierten Zusammenhängen bei angeborenen Herzfehlern, ein wahrer Genuss, der beim Lesen dieses Buches offenbar wird. Nur wer sich als Arzt verständlich äußert, hat die besorgten Herzen der Eltern gewonnen.

Es ist den Autoren dafür zu danken, dass sie dem Ratgeber gewissenhaft einen Serviceteil beigefügt haben. Wichtige Adressen von Herzzentren für Kinder, Organisationen und Selbsthilfegruppen sind gelistet auffindbar.

Dass beide – Ratgeber und Kompendium – das gewichtige Kapitel "Transition" nicht total ausführlich abhandeln konnten, ist kein Defizit, als vielmehr Ansporn, diesem Kapitel ein weiteres Fachbuch zu widmen. Da eine Reihe von angeborenen Herzfehlern einen humangenetischen Hintergrund haben, wäre es bei einer Neuauflage wünschenswert, Informationsorte zu benennen, wo solche medizinischen Zusammenhänge von Experten bearbeitet werden, da es eben dann zuweilen nicht "nur" ein angeborener Herzfehler ist, sondern vielmehr das Syndrom mit den unterschiedlichsten zusätzlichen klinisch fassbaren Störungen. Auch folgen den Akutsituationen bei angeborenen Herzfehlern vielfach psychosoziale Belastungsstörungen und posttraumatische Folgeerscheinungen, die Patienten ebenso treffen können wie Eltern, weshalb auch diesem Aspekt Aufmerksamkeit geschenkt werden sollte.

"Kindernetzwerk e. V." und "ACHSE e. V." werden häufig zu Herzfehlern angefragt. Das hier angesammelte Wissen – vor allem auch von betroffenen Eltern mit ihren Kindern – zu angeborenen Herzfehlern kann helfen. Älter werdenden Kindern mit "ehemals" angeborenen Herzfehlern und den älter werdenden Eltern gibt diese Erfahrung Stützen zur Lebensbewältigung.

Diese beiden Fachbücher nun besitzen zu dürfen ist ein Geschenk, denn eines muss noch gesagt werden: Kinder mit angeborenen Herzfehlern können uns mit ihren Symptomen täuschen, weshalb auch die "Techniken" der eingehenden Herz- Kreislauf-Untersuchung aus beiden Büchern erlernt werden können und z. B. das "alte" Stethoskop, damit das Lauschen am Herzen unverzichtbar ist, denn jedes Systolikum oder Diastolikum muss abgeklärt und der Blutdruck an Armen und Beinen wie auch der Puls registriert werden.

Die Gesamtpädiatrie kann den Autoren für beide Bücher somit nur dankbar sein.

Univ.-Prof. em. Dr. med. Dr. h. c. Hubertus von Voss, München


Erschienen in: Kinderärztliche Praxis, 2016; 87 (6) Seite 412-415