Jährlich erleiden zwischen 250.000 und 300.000 Kinder und Jugendliche in Deutschland ein leichtes oder mitunter auch schwereres Schädelhirntrauma (SHT). SHT ereignen sich zumeist im Sport oder im Straßenverkehr, etwa auf dem Weg zu und von der Schule oder von und zu Freizeitaktivitäten junger Menschen. Kann diesem Trend präventiv entgegengewirkt werden?

Durchaus, sagt, Dr. Michaela Veronika Bonfert, Leiterin der „Concussion Clinic für Kinder & Jugendliche“ der LMU München. Für sehr geeignet hält sie hierfür das Modellvorhaben „Concussion Awareness Projekt“ (CAP), das sich gezielt an Schulen richtet. Das Projekt wurde gemeinsam von der „ZNS-Stiftung – Hilfe für Menschen mit Schädelhirntrauma“ und der Münchener Klinik entwickelt und wird derzeit in drei Modellregionen (Köln/Bonn, München und Oldenburg) erprobt. Wesentlicher Bestandteil des Projektes ist ein 2,5-stündiger Workshop für Lehrkräfte, in dem diese mit Hilfe von Fallbeispielen lernen, ein SHT rechtzeitig zu erkennen und daraufhin entsprechend zu reagieren. Im Fokus der Schulung stehen zudem Informationen und Maßnahmen, um den SHT-Betroffenen ebenso die Wiedereingliederung in den Schulalltag zu erleichtern.

Wie wichtig ein richtiger Umgang mit SHT aus medizinischer Sicht ist, verdeutlicht die Münchner Neuropädiaterin so: „Kinder erleiden in den ersten zwei bis vier Wochen nach einer Gehirnerschütterung nicht selten ein weiteres SHT oder eine muskuloskelettale Verletzung.“ Dies könne zu komplexen und chronischen Verläufen führen, denen man präventiv entgegenwirken könne. Darin werden auch die Schüler selbst konkret wie folgt eingebunden, indem

  • versucht wird, Ihnen das Tragen eines Helms schmackhaft zu machen
  • sie auf einem Parcours hautnah erleben, wie sich typische Beschwerden bei SHT anfühlen, etwa Schwindel (Balancieren) oder Sehstörungen (spezielle Augenblenden)
  • sie spielerisch ihr Wissen um Gehirnerschütterungen mit Hilfe einer Materialbox erweitern – etwa mit einem Eiersturzhelm. Der soll zeigen, dass ein Helm ein rohes Ei nur dann bei einem Sturz aus einem Meter Höhe schützt, wenn das Ei passend im Helm gesichert wird.

Mittlerweile liegt eine erste Auswertung von 125 Lehrkräften aus den drei Modellregionen aus den vierten bis sechsten Klassen vor. Die Schulungen scheinen zu wirken. Der Anteil richtiger Antworten von Seiten der Lehrkräfte zur Akutversorgung hat sich bei den am Projekt Teilnehmenden von etwa 60 % auf über 80 % erhöht. Das Wissen rund um die Wiedereingliederung von Schülern mit SHT stieg sogar von 20 % auf über 80 % an. Auch bei den Kindern konnte das Wissen über SHT-Symptome von rund 60 % vor dem Unterricht auf etwa 90 % deutlich gesteigert werden. Am eindrucksvollsten war aber dieses Ergebnis: Nach dem SHT-Unterricht für die Schüler hegte kein einziger mehr Zweifel daran, im Straßenverkehr einen Helm zu tragen. Zuvor zeigte sich ein Viertel der Schüler skeptisch oder gar ablehnend, im Straßenverkehr einen Helm zu tragen.


Raimund Schmid

Quelle: DGN Kongress 2025. Concussion Awareness Projekt (CAP) – ein innovativer Ansatz zur Sensibilisierung für Gehirnerschütterung in Schulen. M. V. Bonfert. Berlin. 12.11.2025