Dieser Artikel beschreibt den Weg des SPZ Potsdam in neue Räumlichkeiten. Hierbei soll insbesondere ein Augenmerk auf Barrierefreiheit gelegt werden und beispielhaft aufgezeigt werden, wie man diese auch andernorts in SPZ und anderen ambulanten Einrichtungen umsetzen kann.
Raumknappheit – doch das SPZ soll wachsen!
Raumknappheit ist in nahezu allen SPZ ein Grundproblem. Lange Wartezeiten für eine erste Vorstellung in einem SPZ führen häufig zu Unzufriedenheit: bei Familien, die sich dringend einen Termin für ihr Kind wünschen, bei den Zuweiserinnen und Zuweisern und den SPZ selbst. Der Flaschenhals für das Wachstum eines SPZ ist eher die Raumknappheit und weniger die Personalakquise. In der Strukturdatenumfrage der SPZ 2022 stimmen 61 % der SPZ-Leiter der Aussage zu: "Wegen Raummangel kann kein Personal eingestellt werden" [1].
"Raumanamnese" des SPZ Potsdam
Das SPZ Potsdam ist seit seiner Gründung 1994 bereits zweimal umgezogen. Als unliebsames Anhängsel einer Kinderklinik wurden Anfang der 90er-Jahre die ersten Räumlichkeiten noch von den Mitarbeitenden und deren Familien selbst gestrichen und mit Möbeln vom Sperrmüll eingerichtet. Eine Möbelspende vom Lions Club Ende der 90er-Jahre machte das SPZ dann freundlicher für Familien und Mitarbeitende. Ein erster Umzug im Jahr 2006 in ein Verwaltungsgebäude bot etwas bessere Möglichkeiten für eine Mitarbeiterzahl von inzwischen 14 Personen. 2018 erfolgte ein erneuter Standortwechsel. Nun konnten mit inzwischen 35 Mitarbeitenden auf einer Fläche von 700 m² bis zu 6.200 Patientinnen und Patienten im Jahr 2024 behandeln werden.
Um unsere Räume optimal auslasten zu können, hatten wir bereits folgende Änderungen vorgenommen:
- Ausweitung der Öffnungszeiten: Montag bis Donnerstag 7.00 – 18.00 Uhr, Freitag 7.00 – 16.00 Uhr.
- Jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter muss mindestens einen langen Arbeitstag bis 17.00 oder 18.00 Uhr anbieten.
- Fast alle Mitarbeitende teilen sich Räume.
- "Forciertes Umsetzen" der papierlosen Akte, um so eine größere Flexibilität der Räume zu ermöglichen.
- Homeoffice
Die Räumlichkeiten unseres bisherigen SPZ erstreckten sich auf 4 Etagen mit insgesamt 19 Behandlungszimmern mit Größen von 9 bis 20 m2 plus einem Teamraum mit 40 m2. Die Anmeldung musste bisher mit einer Fläche von ca. 25 m2 auskommen, verteilt auf einen offenen Anmeldetresen und zwei kleine Backoffice-Räume. Das Wartezimmer war mit 16 m2 ebenfalls sehr eng und klein.
Das bisher genutzte Gebäude war barrierefrei erreichbar, jedoch war der Fahrstuhl alt und konnte häufig aufgrund technischer Störungen nicht genutzt werden. Dem SPZ standen lediglich 5 Parkplätze zu.
Die Suche nach neuen Räumen
Durch eine intensive und gelungene Zusammenarbeit mit unserer Geschäftsführung konnten wir diese von der Notwendigkeit einer Vergrößerung des SPZ überzeugen. Ein durch unser Klinikum finanzierter Neubau kam hierfür nicht in Betracht, es wurde jedoch die Anmietung neuer Räumlichkeiten in Aussicht gestellt.
Gemeinsam mit dem Bereich Bauplanung und Bauleitung unseres Klinikums konnte das Leitungsteam des SPZ verschiedene Immobilien besichtigen. Ein im Bau befindliches Gebäude mit verkehrstechnisch günstiger Lage wurde ausgewählt, da die gesamte Innenfläche von 1.700 m² auf 2 Etagen frei geplant und so an die Bedürfnisse eines modernen SPZ konzipiert und angepasst werden konnte.
Wünsche des SPZ-Teams an ein neues SPZ
In verschiedenen Runden wurden Ideen und Bedürfnisse von Mitarbeitenden aufgenommen:
- Raumgrößen individuell an die Bedarfe der Berufsgruppen angepasst, z. B. Arztzimmer mind. 20 – 28 m², um Gangbild und Motorik zu überprüfen, ein Physiotherapiezimmer mit 60 m², um eine Hilfsmittelsprechstunde mit vielen Beteiligten gut umsetzen zu können und das Gangbild zu filmen, etc.
- Eine große und freundliche Anmeldung mit unterfahrbarem Tresen und mehrerer Backoffice-Räume für Telefonate und Terminierung
- Ein schönes, helles Wartezimmer mit einem pädagogisch wertvollen Spielangebot
- Weitere einheitlich gestaltete Wartebereiche
- Ein 100 m² großer Konferenzraum (mit entsprechender technischer Ausstattung), um mit allen Mitarbeitenden gemeinsame Besprechungen abhalten zu können, Schulungsangebote für Patientinnen und Patienten und deren Familien auszuweiten und Fortbildungen abzuhalten
- Zwei kleine Aufenthaltsräume mit je 28 m², ebenfalls mit Fernsehbildschirmen und Videokonferenzsystemen ausgestattet, um Helferkonferenzen, Fortbildungen und digitale Treffen mit Kollegen aus der Kinderklinik umzusetzen
- Ein reizarmer Raum mit installierter Kamera, um dort Videointeraktionsbeobachtungen sowie videounterstützte Diagnostik (ADOS = Autismustest, AHA = Hemiparesetest) durchzuführen und so den Auf- und Abbau der Diagnostiktools zu vermeiden
- Ein gutes Wegeleitsystem und Beschilderung auch für Kinder mit Beeinträchtigung
- Ein harmonisches Farbkonzept
- Eine einheitliche Gestaltung der Flurwände
- Neue, einheitliche, hell und freundlich wirkende Möbel
- Eine ausreichende Anzahl von Parkplätzen für unsere Patientinnen/Patienten und Familien
- 2 Behinderten-WCs mit großen Liegen, auch für Jugendliche und junge Erwachsene
- Ein Spielplatz für Kinder und Jugendliche mit Behinderung
Beteiligung von Familien
Um Wünsche von Patientinnen und Patienten aufzunehmen und diese an der Gestaltung des neuen SPZ zu beteiligen, hängten wir Fragebögen auf und händigten diese unseren Familien aus (Abb. 4). Insgesamt 32 Fragebögen gingen bei uns ein. Wir werteten diese aus und konnten wertvolle Vorschläge umsetzen.

Abb. 4: Patienten-Fragebogen.
Erweiterung des Planungsteams um eine Beraterin für Barrierefreiheit
Hatte die Planung bisher mit Mitarbeitenden unseres Klinikums stattgefunden, so wurde das SPZ-Umzugsteam um eine DIN-zertifizierte Beraterin für Barrierefreiheit erweitert. Bei den Inklusionstagen 2023, veranstaltet vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales zum Thema: "Gesundheit: Barrierefrei – selbstbestimmt – zeitgemäß" kamen Frau Dr. Mona Dreesmann als Leiterin des SPZ und Judith Leyendecker (Ergotherapeutin und DIN-geprüfte Fachplanerin für barrierefreies Bauen mit einer Zusatzausbildung als Interior Designerin) ins Gespräch. Nach mehreren Treffen und einem intensiven Austausch zur Gestaltung des neuen SPZ wurde eine Zusammenarbeit in Bezug auf die barrierefreie Errichtung und Gestaltung des Neubauvorhabens vereinbart.
Was ist Barrierefreiheit?
Barrierefreiheit im Sinne des § 4a des Landesgleichberechtigungsgesetzes bedeutet, dass "bauliche Anlagen, Verkehrsmittel, technische Gebrauchsgegenstände, Informations- und Kommunikationssysteme sowie andere gestaltete Lebensbereiche für Menschen mit Behinderung in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe zugänglich und nutzbar sind" [2].
Ausgangslage aus Sicht der Barrierefrei-Beraterin
Judith Leyendecker besichtigte das SPZ am alten Standort und sie erhielt die Grundrisspläne des neuen Standorts. Zudem wurde eine Zusammenarbeit festgelegt, die folgendermaßen aussah:
- Teilnahme an den turnusmäßigen Meetings im SPZ mit dem Leitungsteam und dem Bereich Bauplanung und Bauleitung
- Workshop zum Thema "barrierefreies Bauen" in Bezug auf den neuen Standort mit dem gesamten SPZ-Team und den Mitarbeitenden des Bereichs Bauplanung und Bauleitung mit folgenden Inhalten:
- - Hintergründe der DIN-Normen für Barrierefreiheit
- - Folgen von Missachtung der Bauvorschriften und der vorgeschriebenen Maße der Bewegungsflächen nach der DIN 18040-1
- - Bedeutung einer kontrastreichen Gestaltung
- - 2-Sinne-Prinzip [3]
- - vorgeschriebene Ausstattung eines Aufzugs
- - barrierefreie Badezimmer
- - Anforderungen an Platzbedarf vor Türen und am Anmeldetresen
- - Maßnahmen für ein Leitsystem sowie Sicherheitsanforderungen bei Glaswänden.
- - Begleitung des Innenausbaus des SPZ am neuen Standort aus den Gesichtspunkten der Barrierefreiheit in beratender Funktion
Umsetzung: Grundrissanpassung nach DIN 18040-1
Der Grundrissplan wurde auf Anraten von Frau Leyendecker durch den Bauleiter und Architekten nach der DIN 18040-1 überarbeitet. Unter anderem wurden die Bereiche vor den Aufzügen erweitert, um mehr Platz für Kinder und Jugendliche im Rollstuhl zu schaffen.
Das Farbkonzept
Für den neuen Standort wurde die Grundidee entwickelt, den Behandlungsräumen über zwei Stockwerke hinweg verschiedene Farbzuordnungen zu geben. Im 3. OG befinden sich die Anmeldung, die Behandlungsräume der Ärztinnen und Ärzte, Pädagoginnen und Pädagogen sowie Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter, Räume für verschiedene Arten der Diagnostik sowie ein Aufenthaltsraum mit technischer Ausstattung, um Videokonferenzen mit Netzwerkpartnern umzusetzen. Im 4. OG sind die Räumlichkeiten der Psychologinnen/Psychologen, Ergotherapeutinnen/-therapeuten, Physiotherapeutinnen/-therapeuten, Logopädinnen/Logopäden und Musiktherapeutinnen/-therapeutensowie ein großer Veranstaltungsraum für Schulungen und ein kleiner Aufenthaltsraum (Abb. 1 und 2).

Abb. 1: Physiotherapiezimmer.

Abb. 2: Wartebereich SPZ und Anmeldung.
Seitens des SPZ wurden freundliche Farben gewünscht, die Kinder und Jugendliche gleichermaßen ansprechen. Zudem sollten die Farben ein Leitsystem darstellen (z. B. Ärztinnen/Ärzte = grüner Bereich, Psychologinnen/Psychologen = blauer Bereich). Jeder Mitarbeitende konnte zudem aus den 5 Grundfarben eine Farbe für eine Zimmerwand auswählen. Das SPZ-Team entschied sich für folgende Farben (Abb. 3).

Abb. 3: Farbkonzept für Flure und Behandlungszimmer
Fotoausstellung "Kinder weisen uns den Weg"
Familien mit einem Kind mit Behinderung suchen eher selten einen professionellen Fotografen auf. Frau Richter-Schickert fotografiert in unserem Klinikum Neugeborene und betreibt ein eigenes Fotoatelier. Aus einer gemeinsamen Idee, die Flure des SPZ mit Patientenfotos zu gestalten, wurde ein großes Fotoprojekt. An mehreren Samstagen fand ein Fotoshooting mit Patientinnen/Patienten und Familien sowie einer Oberärztin des SPZ statt. Entstanden sind bewegende Fotos von Patientinnen/Patienten des SPZ, allein oder zusammen mit ihren Geschwistern und Eltern (Abb. 5). 72 Schwarz-Weiß-Fotos schmücken die Wände des SPZ und heißen die Familien nun im gesamten Gebäude willkommen. Die Bilder sind auf einen Meter über dem Boden angebracht, sodass sie auch für Rollstuhlfahrer gut anzuschauen sind.

Abb. 5: Kinder weisen uns den Weg.
Metacom-Symbole
In unserer Patientenumfrage wurde auch auf den Bedarf an kindgerechten Türbildern hingewiesen. Das Team der Logopädinnen suchte geeignete METACOM-Symbole für alle Berufsgruppen heraus (Abb. 6). Diese werden einfarbig auf den jeweiligen Türen in einem Meter Höhe angebracht und erleichtern es jungen Kinder und Jugendlichen mit Lernschwächen, sich im neuen SPZ zurechtzufinden.
Der Empfangstresen
Die Anmeldung stellt das Herz eines jeden SPZ dar. Mit Unterstützung unserer Medizinischen Fachangestellten und Pflegekräfte entwarf Frau Leyendecker einen Empfangstresen, der mit Hilfe einer speziellen Software visualisiert und im Verlauf angepasst wurde. Highlights sind ein eingebauter Sitz, um Kleinkinder sicher zu platzieren, während man die Chipkarte aus der Tasche zieht sowie die Unterfahrbarkeit des Tresens, sodass Kinder, die im Rollstuhl sitzen, jetzt nahe am Geschehen sind und besser begrüßt werden können (Abb. 7).

Abb. 7: Anmeldetresen.
Sicherheitsmarkierungen
Die Schmetterlingsgrafik im Logo des Klinikums Westbrandenburg passte Frau Leyendecker mit den Farben aus dem Farbkonzept an. Die stark kontrastierenden Sicherheitsmarkierungen in Form von Schmetterlingen wurden an Glaswänden deutlich erkennbar angebracht. Entsprechend der "DIN 18040-1"-Anforderung erfolgte eine Anordnung in der Höhe von 40 bis 70 cm und 120 bis 160 cm.
Probleme in der Umsetzung
Da Frau Leyendecker erst spät zu unserem Projekt "Umzug SPZ" hinzugezogen wurde und die finanziellen Mittel begrenzt waren, konnten einige Ideen zur Barrierefreiheit leider nicht umgesetzt werden:
- ein Blindenleitsystem,
- eine akustische Hörschleife [4] am Empfangstresen,
- eine schallregulierenden Gestaltung der Wartebereiche und Behandlungsräume,
- ein barrierefreier Aufzug mit Spiegel bis 20 cm über dem Boden und erreichbaren Bedienelementen [5].
Tipps und Vorschläge für "Nachahmer"
Das gemeinsame Projekt "Umzug des SPZ Potsdam" verdeutlicht die Herausforderungen der barrierefreien Gestaltung von Bauvorhaben im Gesundheitswesen. Trotz der Anforderungen aus Bauvorschriften (Normenreihe 18040) wird Barrierefreiheit in der Praxis oft vernachlässigt – durch Unwissenheit, Kosten oder fehlendes Bewusstsein. Umso mehr konnte durch eine gemeinsame Planung mehr Barrierefreiheit erreicht werden.
Vorschläge für andere SPZ und Kinderarztpraxen, die einen Umzug planen oder ihre Räumlichkeiten umbauen möchten:
- Wir empfehlen eine frühzeitige Einbindung von Fachplanern, um durch eine Beratung zur Barrierefreiheit von Beginn an teure Nachbesserungen zu vermeiden.
- Eine interdisziplinäre Zusammenarbeit von Fachleuten, Patientinnen/Patienten und deren Familien, Architekten und Barrierefreiheitsexperten ermöglicht es, dass Gesundheitseinrichtungen von der Patientin bzw. vom Patienten aus gedacht werden.
- Dieses Projekt hat gezeigt, dass sich Aufklärungsarbeit seitens der Beraterin für Barrierefreiheit lohnt, um Entscheidungen hin zu mehr Barrierefreiheit zu treffen.
- Wir denken, dass bei Neubauten und Renovierungen von SPZ Barrierefreiheit und Inklusion als fester Bestandteil der Bauplanung etabliert werden sollten und SPZ eine Vorreiterrolle für dieses Thema einnehmen können.
Fazit
Was lange währt, wird endlich gut: Nach einer 3-jährigen Planungs- und Umsetzungsphase ist das SPZ im Januar 2025 in seine neuen Räumlichkeiten umgezogen. Fast alle Wünsche der Mitarbeitenden und Patientinnen/Patienten konnten umgesetzt werden. Mit Hilfe des Fördervereins Donnerlittchen e. V. und zahlreichen Spendern (z. B. Katarina-Witt-Stiftung) konnte zusätzlich der Spielplatz hinter dem SPZ inklusiv umgebaut werden.
Zitate von Kindern "Bei Dir passt ja alles zusammen!" oder "Ich bleibe hier!" signalisieren uns, dass wir vieles richtig gemacht haben.
Erschienen in: Kinderärztliche Praxis, 2025; 96 (3) Seite 220-224 |