Jana Findorff, Silvia Müther, Arpad von Moers, Hans-Dieter Nolting, Walter Burger (Hrsg.): Sektorübergreifendes Strukturprogramm zur Transition in die Erwachsenenmedizin. 168 Seiten, gebunden. 2016, Walter de Gruyter-Verlag, Berlin/Boston. ISBN: 978-3-11-044035-5; 69,95 Euro

Der Übergang der Betreuung von Jugendlichen mit chronischen Krankheiten und Behinderungen in die Einrichtungen der Erwachsenenmedizin ist spätestens seit dem Sondergutachten des Sachverständigenrates zur Zukunft des Gesundheitswesens in Deutschland 2009 ein wichtiges interdisziplinäres Thema, u. a. wurden mehrere Kongresse zu der Thematik veranstaltet und 2012 die Deutsche Gesellschaft für Transitionsmedizin gegründet.

In Deutschland haben über 15 % der 14- bis 17-jährigen Jugendlichen besondere Bedürfnisse bei der Gesundheitsversorgung, bei ca. 2 % besteht ein anerkannter Grad einer Behinderung. Nach mehreren, auch internationalen Studien haben bis zu 40 % der Betroffenen Probleme in dieser Übergangsphase, z. B. wegen der jetzt notwendigen Eigeninitiative, wegen der Finanzierung oder wegen Verständigungsproblemen. Bisher gibt es für einige Krankheitsbilder, z. B. angeborene Herzerkrankungen oder die Mukoviszidose bereits gut etablierte Modellkonzepte zwischen der Kinder- und Jugendmedizin und der Erwachsenenmedizin. Besonders bei schweren Mehrfachbehinderungen, bei intellektuellen Einschränkungen, bei seltenen Erkrankungen und bei der Adipositas klagen die Betroffenen bzw. deren Angehörige aber über erhebliche Probleme.

Mit einer Finanzierung durch die Robert Bosch Stiftung und das DRK wurde seit 2007 das Berliner Transitions-Programm als Matrix für zukünftige Versorgungsstrukturen aufgebaut, dessen Konzept im vorliegenden "Handbuch" präsentiert wird. Am Beispiel von 50 Patienten, 32 mit Diabetes mellitus Typ 1 und 28 mit verschiedenen Formen einer Epilepsie im Durchschnittsalter von knapp 20 Jahren, wurden verschiedene Parameter evaluiert, um Aussagen über den Wechsel in die Betreuung der Erwachsenenmedizin machen zu können. Die Ergebnisse waren erwartungsgemäß für die Patienten mit Diabetes deutlich besser als für die mit einer Epilepsie.

In dem Buch werden keine spezifischen medizinischen Probleme oder Erfahrungen aus der Praxis vorgestellt, sondern in überwiegend schematischer Form die Aufgaben eines Fallmanagers in einer "Transitionsstelle" beschrieben. Dieser sollte einen "heilkundlichen bzw. gesundheitsnahen Berufsabschluss" plus eine Qualifikation im Fallmanagement haben und in der Lage sein, die Organisation der Transition mit Beratungen bei Vertragsabschlüssen und Abrechnungen, Kontakten mit Ärzten, Spezialambulanzen, Beratungs- und Therapiestellen sowie Öffentlichkeits- und Netzwerkarbeiten in Abhängigkeit vom individuellen Bedarf sicherzustellen. Die Finanzierungen der Leistungen müssen mit den jeweiligen Kostenträgern gesondert ausgehandelt werden und sollten möglichst pauschal abgerechnet werden. In einem ausführlichen Anhang werden die wissenschaftlichen Konzepte des Berliner Transitions-Programms anhand der bisherigen Daten, ausführlicher Flussdiagramme und Hinweisen für computergestützte Dokumentation für indikationsspezifische Fragebögen und strukturierte Epikrisen vorgestellt.

Wer spannend zu lesende Berichte über die vielfältigen Probleme der Transition in der Praxis oder konkrete Vorschläge zum spezifischen Vorgehen bei definierten Erkrankungen erwartet hat, wird von dem Buch enttäuscht sein. Es ist sinnvoll für Organisationsteams größerer Krankenhäuser, Mitarbeiter der zu gründenden Medizinischen Behandlungszentren für Erwachsene mit geistiger Behinderung oder schweren Mehrfachbehinderungen (§ 119c SGB V), Gesundheitsbehörden, die Kostenträger und große Selbsthilfe-Organisationen. Die Einrichtung von Transitionsstellen ist für Großstädte mit einem dichten Netz von Versorgungsinstitutionen sicher sinnvoll, in ländlichen Flächenregionen werden die geforderten strukturierten Abläufe voraussichtlich schwer umzusetzen sein. Leider ist das Register spärlich und die Literatur nicht alphabetisch oder nach Fachgebieten geordnet.

Tipp
Dieses Buch ist auch unter folgender Webadresse im Volltext offen zugänglich: www.degruyter.com/viewbooktoc/product/460183

Grundsätzlich ist die Transition wegen des Übergangs von einer ganzheitlich orientierten Medizin in organzentrierte Spezialeinrichtungen auch in Zukunft eine große Herausforderung. Möglichst multizentrische und multidisziplinäre Langzeitergebnisse zum Transitionserfolg bei den bekannten, schwierig zu betreuenden Erkrankungen sollten erhoben und analysiert werden.


Prof. i. R. Dr. Hans Michael Straßburg, Gerbrunn


Erschienen in: Kinderärztliche Praxis, 2016; 87 (5) Seite 341