Eine Arbeitsgruppe des Robert Koch-Instituts haben eine systematische Literaturrecherche nach Studien zum Invaginationsrisiko nach Rotavirus-Impfung durchgeführt - mit interessanten Ergebnissen.

Die ständige Impfkommission (STIKO) hat 2013 die Rotavirus-Impfung für alle Säuglinge empfohlen. Bereits nach den "RotaShield-Erfahrungen" und durch die Zulassungsstudien der beiden aktuellen Rotavirus-Impfstoffe war klar, dass ein erhöhtes Risiko für Invaginationen nach Rotavirus-Impfung vorliegt. Seit der STIKO-Empfehlung wurden weitere, sogenannte Beobachtungsstudien im "self-controlled case series (SCCS)"-Design veröffentlicht. Eine Arbeitsgruppe des Robert Koch-Instituts führte eine systematische Literaturrecherche nach SCCS-Studien zum Invaginationsrisiko nach Rotavirus-Impfung durch.

In einer Metaanalyse wurden relative Risiken (RR, "Erkrankungsrisiken von exponierten und nicht exponierten Menschen") nach den Impfstoffdosen zusammengefasst und darüber hinaus attributable Risiken (AR, "Risiko, welches der Exposition zu einem Risikofaktor zuzuschreiben ist") berechnet. Es wurden insgesamt 16 Studien identifiziert, 10 Studien mit geringerem Verzerrungsrisiko in der Analyse. Das RR für "Invagination" 1 bis 7 Tage nach der ersten Dosis betrug 5,7 (95-%-Konfidenzintervall (KI) 4,5 – 7,25), nach der zweiten Dosis 1,69 (95-%-KI 1,33 – 2,14) sowie nach der dritten Dosis 1,14 (95-%-KI 0,75 – 1,74). Es ergab somit ein Risiko für zusätzliche Invaginationen je 100.000 geimpfte Kinder nach der ersten bzw. zweiten Dosis. Werden Säuglinge im Alter über 3 Monate geimpft, erhöht sich das AR auf 5,6 (95-%-KI 4,3 – 7,2) je 100.000 nach der ersten Dosis bzw. auf 0,81 (95-%-KI 0,63 – 1,06) je 100.000 nach der zweiten Dosis.

Die Autoren schlussfolgern aus ihrer Untersuchung, dass die Rotavirus-Impfung 1 bis 7 Tage nach der ersten Dosis mit einem deutlich erhöhten RR für Invagination und mit einem geringfügig erhöhten AR assoziiert ist. Ärzte sollten entsprechend der STIKO-Empfehlung mit der Impfserie im Alter von 6 bis 12 Wochen beginnen. Danach nimmt das Invaginationsrisiko deutlich zu. Nach Krankenhausabrechnungsdaten erhalten derzeit 11,1 % der Säuglinge die erste Impfstoffdosis im Alter über 3 Monaten. Dieses sollte vermieden werden. Die Autoren empfehlen Eltern über Anzeichen einer Invagination ausführlich zu informieren.

Kommentar: Gastroenteritiden gehören zu den häufigsten zur Hospitalisierung führenden Krankheitsbildern in der Pädiatrie. Die Rotavirus-Gastroenteritis war vor Einführung der Impfung die häufigste meldepflichtige Erkrankung bei Kindern unter 5 Jahren. Die vorliegende Metaanalyse bestätigt, dass das Invaginationsrisiko in den ersten 7 Tagen nach den ersten beiden Impfdosen für beide RV-Impfstoffe erhöht ist. Bei der Impfung bis zur 12. Lebenswoche sind 1 – 3 zusätzliche Invaginationen/100.000 Kinder zu erwarten, bei später begonnenen Impfungen steigt die Zahl auf 4 – 8/100.000. Das AR für eine Invagination wird durch die zeitgerechte Impfung leicht erhöht. Ohne Impfung tritt statistisch in den ersten 3 Lebensmonaten bei einem von 5.208 Kindern eine Invagination auf, mit Impfung ist es ein Kind unter 4.785 Kindern. In jedem Fall stellten Invaginationsereignisse aber eine wichtige Nebenwirkung der Rotavirus-Impfung dar, über die aufgeklärt werden muss. Unabhängig von der nun vorliegenden Metaanalyse müssen Invaginationen nach Rotavirus-Impfungen weiter erfasst werden und dem Nutzen der Impfung gegenübergestellt werden. Die Überprüfung des Nutzen-Risiko-Profils der Rotavirus-Impfung ist daher ein kontinuierlicher Prozess.


Literatur
Koch J et al. (2017) Invaginationsrisiko nach Impfung gegen Rotaviren. Dtsch Arztebl Int 114: 255 – 262

Autor
Univ.-Prof. Dr. med. Markus Knuf


Erschienen in: Kinderärztliche Praxis, 2017; 88 (5) Seite 288