Die pädiatrische Bedarfsplanung hinkt den Anforderungen, denen heute niedergelassene Kinder- und Jugendärzte ausgesetzt sind, meilenweit hinterher.

Auf diese Diskrepanz hat Dr. Dominik Graf von Stillfried, Geschäftsführer des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (ZI), beim 47. Kinder- & Jugend-Ärztetag 2017 des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) in Berlin mit erfrischend klaren Worten hingewiesen. Dafür gebe es eine ganze Anzahl von Gründen, die sich in den noch heute maßgeblichen Bedarfsplanungszahlen vom 31.12. 1990 in keiner Weise widerspiegelten.

Vielzahl neuer Leistungspositionen sind seitdem hinzugekommen

So sei zum Beispiel eine Vielzahl neuer und zum Teil aufwändig zu erbringender Leistungspositionen hinzugekommen. Danach hat es laut ZI von 2009 bis 2015 genau 13,5 Prozent mehr Gebührenpositionen für die schwerpunktorientierte Pädiatrie und sogar 41 Prozent mehr Gebührenpositionen für Pädiater mit Zusatzweiterbildung gegeben. Allein schon aus diesem Grund müsste es heute mehr Pädiater geben als noch 2009. Vorhandene pädiatrische Kapazitäten seien aber von 2009 bis 2015 um ein Prozent geschrumpft.

Es sind aber nicht nur die neuen Leistungen, die zu dieser stets weiter auseinanderklaffenden Lücke zwischen dem geplanten und dem tatsächlichen Bedarf führen. „ Die meisten Patienten brauchen heute ein Vielfaches an Zeit verglichen mit früher“, hob Dr. Thomas Fischbach, Präsident des BVKJ; in Berlin hervor.

Wieso für Patienten heute mehr Zeit aufgewendet werden muss

Dies liegt daran, dass die Vorsorgeuntersuchungen immer umfangreicher würden, neue Impfungen mit einer immer zeitintensiveren Impfaufklärung hinzukämen und immer mehr verhaltens- und entwicklungsgestörte Kinder und Jugendliche in den Praxen auflaufen. Fischbach: „Die Zeiten, in denen wir nach Schema F primär Infektionskrankheiten in unseren Praxen behandelt haben, sind längst vorbei.“

Zum Mehrbedarf an Pädiatern tragen aber auch weitere Entwicklungen bei, die bisher zu wenig beachtet worden sind:

  • Der Trend hin zum Angestelltenverhältnis hält gerade in der Kinder- und Jugendmedizin mit ihren hohen Frauenanteil weiter an. Angestellte Ärztinnen arbeiten jedoch im Schnitt nur halb so lang wie selbständige tätige Pädiater.
  • Der Trend, wonach Immer mehr auch schwerer kranke Kinder ambulant behandelt werden können und nicht mehr stationär aufgenommen werden müssen, setzt sich fort.
  • Der Trend, dass gerade in Ballungsräumen – insbesondere im Großraum München – in den nächsten 15 Jahren deutlich mehr Pädiater benötigt werden, wird anhalten.

Planung viel stärker am Bedarf orientieren

Von Stillfried stellte abschließend in Berlin klar, dass aus all diesen Gründen die Bedarfszahlen nicht nur in der Pädiatrie dringend angepasst und die Bedarfsplanung auch regional deutlich flexibler gestaltet werden müsste. Generell möchte auch Fischbach die Bedarfsplanung viel stärker „am Bedarf orientiert“ sehen. Es ist nicht mehr zu leugnen: Der Bedarf nach pädiatrischen Leistungen steigt eindeutig – nicht zuletzt auch wegen der anwachsenden Geburtenrate und der bislang pädiatrisch unterversorgten Kinder aus Flüchtlingsfamilien.


Raimund Schmid